Gesellschaft und Soziales Angst bei Flüchtlingen in Sprockhövel
Sprockhövel · Forderung nach Ausweisung schürt laut Miriam Venn von der Flüchtlingshilfe bei den Betroffenen Unsicherheit.
Nachdem die AfD die „Remigration“, nämlich die zwangsweise Abschiebung von Menschen, deren Herkunft dieser Partei nicht passt, in ihr Wahlprogramm aufgenommen hat, und etliche Parteien sich, was eine mögliche Abschiebung angeht, gegenseitig übertreffen wollen, geht auch unter Sprockhövels Flüchtlingen und Asylbewerbern eine unterschwellige Angst um.
Hilfe beim Erlernen
der deutschen Sprache
„Man kann die Unsicherheit und die gedrückte Stimmung in den Gesprächen mit den Menschen schon spüren“, sagt Miriam Venn, die ehrenamtliche Vorsitzende der Flüchtlingshilfe Sprockhövel. Rund 400 Menschen aus Syrien, dem Irak, der Ukraine, Afghanistan, der Türkei, Tadschikistan oder aus Guinea werden von der Flüchtlingshilfe betreut, was die Wohnungssuche, soziale Kontakte, Sport- und umfangreiche Freizeitangebote angeht. Vor allem aber bei der Überwindung der höchsten Hürde, dem Erlernen der deutschen Sprache. „Derzeit haben wir ungefähr 40 Anmeldungen für einen Sprachkurs, die wir aber bei Weitem nicht alle erfüllen können. 25 sind so ziemlich das oberste Limit“, so Miriam Venn, die dringend ehrenamtliche Kräfte sucht, die die Neuankömmlinge in die deutsche Sprache einführen können.
„Derartige Kenntnisse helfen bei der Wohnungssuche, bei Bewerbungen, bei der Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikationen und natürlich im alltäglichen Leben, wo auch die bürokratischen Hemmnisse und die auszufüllende Formularflut erhebliche Hindernisse sind. Einer unserer Neubürger sagte mir kürzlich, dass er noch nie so viel Papier in der Hand gehabt habe wie jetzt hier in Deutschland“, sagt Miriam Venn, die in ihrem Hauptberuf bei der Caritas in Witten angestellt ist, aber gleichzeitig den größten Teil ihrer Freizeit opfert, um den Geflüchteten das Leben in der neuen Heimat zu erleichtern. So hat sie auch den „ReFoodgee-Day“ in Sprockhövel eingeführt, bei dem geflüchtete Familien seit Jahren Sprockhövelerinnen und Sprockhöveler Ende des Jahres zu sich zum Abendessen einladen und ihnen Spezialitäten aus der Heimat servieren. „Dadurch sind auch schon bleibende Freundschaften entstanden,“ erfahren wir, und dass es inzwischen vielen Neuankömmlingen gelungen ist, hier Wurzeln zu schlagen.
Repair-Café
und Kleiderkammer
Um beispielsweise den sportlichen Frauenkurs montags ab 18.30 Uhr in der Turnhalle hinter dem Rathaus in Haßlinghausen qualifiziert betreuen und anleiten zu können, hat die „Powerfrau“ auch den Übungsleiterschein erworben, wie sie lächelnd und gut gelaunt erklärt.
So treibt sie zusammen mit ihrem Flüchtlingshilfe-Team auch die vielfachen Aktionen ihres Vereins an. Wie beispielsweise das „Repair-Cafe“, für das noch Menschen gesucht werden, die handwerklich geschickt sind und so beispielsweise elektrische Geräte vor der Entsorgung bewahren. „Aber auch für unsere Kleiderkammer in der Wuppertaler Straße 3 in Niedersprockhövel könnten wir noch helfende Hände gebrauchen“, so Miriam Venn, die in einem Atemzug darauf hinweist, dass es am 9. Februar von 15 bis 18 Uhr einen Second-Hand-Kleidermarkt geben wird. „Da die Bürgerinnen und Bürger in Sprockhövel sehr freigiebig sind und hochwertige Kleidung bei uns abgeben, lassen sich da hervorragende Schnäppchen machen“, kündigt sie mit viel Elan an. „Wie gut bei uns die Angebote sind, hat sich auch schon zu den Tafeln in Wuppertal und Witten herumgesprochen, die sich gern bei uns bedienen.“ Winterkleidung ab 50 Cent am 9. Februar gehören da zu den Attraktionen, ebenso wie der Verkauf von Karnevalskostümen.
Aber auch in der Politik hat man Kenntnis von der segensreichen Arbeit der Flüchtlingshilfe Sprockhövel. So hat der SPD-Bundestagsabgeordnete für Sprockhövel, Hattingen, Witten und Herdecke, Axel Echeverria, eine Abordnung von 16 Mitgliedern der Flüchtlingshilfe für die Zeit vom 23. bis 26. Februar nach Berlin eingeladen, um ihnen einen Einblick in den Alltag der hohen Politik zu verschaffen. „Das ist eine tolle Anerkennung für unsere Arbeit“, freut man sich in Haßlinghausen.
Apropos Politik: „Die Landesregierung hat die Fördermittel für unsere Arbeit erheblich eingeschränkt“, wird beklagt, aber Hoffnung gibt die Organisation „Änderwerk“, die unter dem Motto „Vor Ort vereint“ im Rahmen der Robert-Bosch-Stiftung das soziale Miteinander und die Integration fördert und auch der Flüchtlingshilfe Möglichkeiten verschafft, ihre Aktionen zugunsten des Gemeinwohls weiter zu führen, und ihnen Gestaltungsspielraum gibt.
2025 gibt es die Flüchtlingshilfe Sprockhövel übrigens seit zehn Jahren, und das muss laut Miriam Venn, einer Frau der ersten Stunde, gebührend gefeiert werden. Unter anderem mit einem Sommerfest. „Der Filmer Markus Matzel, der uns über die Jahre begleitet hat, wird einen Dokumentarfilm von unserer Arbeit und den Menschen vor Ort erstellen, den wir im Rahmen einer Ausstellung am Jahresende zeigen wollen“, sagt die Vereinsvorsitzende, der nach wie vor die Begeisterung für ihre Arbeit im Dienst der Menschen anzusehen ist.