Hilfreich oder überflüssig?
Mit großem Aufwand, aber nicht immer mit Verständnis sind Sprockhövels Schulen dem Erlass des Ministeriums gefolgt.
Sprockhövel. Große Diskussionen über Sinn oder Unsinn der neuen Kopfnoten hat es in den vergangenen Monaten auch an Sprockhöveler Schulen gegeben. Auf unterschiedliche Weise und mit großem Arbeitsaufwand sind aber alle der Ministeriumsweisung gefolgt, nach der Arbeits- und Sozialverhalten mit dem Halbjahreszeugnis am Freitag erstmals wieder auch als Note auftauchen müssen. Die meisten Schulen haben von der Erlaubnis Gebrauch gemacht, deshalb einen ganzen Tag für die Zeugniskonferenzen aufwenden zu dürfen.
"Die Vergabe der Kopfnoten ist eine ernste Aufgabe. Unsere Lehrer waren froh, ausführlich über jeden Fall sprechen zu können", sagt Brigitte Hoppstock (ehemals Reinhold-Becker), Leiterin der Grundschule Hobeuken. Die Schule hat eine dritte und zwei vierte Klassen. "Trotzdem haben wir wirklich den kompletten Tag gebraucht."
Persönlich hält sie das Mittel der Kopfnoten für eher überflüssig und kann die mehrfach geäußerte Sorge von Eltern verstehen, die eine "Etikettierung" ihrer Kinder befürchten. "Wir haben im Anhang der Zeugnisse ja bisher schon ausführlich das Arbeits- und Sozialverhalten beschrieben. Das halte ich für viel genauer und zielgerichteter als eine Note." Schließlich gehe es darum, den Eltern und Kindern Hinweise zu geben, wo und wie etwas zu verbessern sei, so Hoppstock.
Eine Meinung, die im Grunde alle Sprockhöveler Grundschulleiterinnen teilen. "Ich halte die schriftliche Bewertung für voll und ganz ausreichend", sagt Judith Kurth (Grundschule Herzkamp). "Manchmal ist es allerdings so, dass Noten von den Eltern mehr beachtet und ernster genommen werden als Geschriebenes", räumt Marlen Hofeditz von der Grundschule Haßlinghausen ein. Fließtext sei genauer, aber auch "schmiegsamer".
"Noten können durchaus zusätzliche Aussagekraft haben, aber wir haben auch darauf Rücksicht genommen, ob aus unserer Sicht mit einer schlechten Note überhaupt etwas im Elternhaus bewirkt werden kann," sagt Christa Heinbruch von der Grundschule Börgersbruch.
"Wir sind zwiegespalten. Kindern, die an ADHS (Aufmerksamkeitdefizitsyndrom) leiden, hilft eine schlechte Note bei der Konzentrationsfähigkeit natürlich nicht", ergänzt Brigitte Weigelt von der Grundschule Nord.
Den riesigen Arbeitsaufwand für die Lehrer moniert Dorothee Waskönig-Kessel. Jeder ihrer Lehrer habe sich nun neben seiner Fachnote noch zusätzlich Gedanken über sechs weitere Noten für jeden einzelnen Schüler machen müssen. "Ich weiß nicht, ob die Gewichtung da noch stimmt."
An der Wilhelm-Kraft-Gesamtschule ersetzen die Noten nun sogar ersatzlos den Zeugnistext, in dem bisher das Arbeits- und Sozialverhalten jedes Schülers beschrieben wurde.
Waskönig-Kessel: "Unsere Eltern und auch wir halten das für einen Rückschritt." Dass in diesem Fall die schlechteste Note "unbefriedigend" für den üblichen Notenbereich von vier bis sechs stehe, findet sie zu undifferenziert. Britta Hoppstock hält das allerdings eher für einen Vorteil. Stichwort: "mögliches Abqualifizieren".
Besonders "behutsam und verantwortungsvoll" sei man in den Klassen neun und zehn mit den Kopfnoten umgegangen, betont Gesamtschulleiterin Dorothee Waskönig-Kessel. "Wir geben ja keine Prognose mehr für die Schulzeit ab, sondern für einen Zeitraum danach, auf den wir pädagogisch nicht mehr einwirken können. Außerdem möchte kein Lehrer damit leben, einem Schüler möglicherweise die berufliche Karriere zu verbauen."
Es gebe ja noch gar keine Erfahrungen mit dem neuen Instrument. Dass es übergangslos von heute auf morgen eingeführt wurde, hätten die meisten Kollegen kritisiert.
Beurteilung Mit den Kopfnoten werden ab Klasse drei Arbeits- und Sozialverhalten bewertet. Ab Klasse vier gibt es sechs Noten: Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit/Sorgfalt, Selbstständigkeit, Verantwortungsbereitsschaft, Konfliktverhalten und Kooperationsbereitschaft.
Abstufung Vergeben werden nur vier Noten: sehr gut, gut, befriedigend und unbefriedigend.
Unbefriedigend Nach der WZ-Umfrage wurde die Note "unbefriedigend" nur "ganz vereinzelt" vergeben. Generell darauf verzichten, wie manche Schule in NRW das aus Protest angekündigt hatte, wollte man aber nirgendwo.