Vorbereitet auf den Amoklauf
Training: Wie die Einsatzbeamten der Kreispolizei Verhalten für den Extremfall üben.
Ennepe-Ruhr. Am eigenen Leib erfahren, dass ein Tatort so richtig an die Nieren geht. Auf hautnahe Weise verstehen, welchem Druck die Beamten mitunter ausgesetzt sind. Zu diesem Zweck hatte die Polizei des Ennepe-Ruhr-Kreises in einer Fabrik an der Färberstraße in Hagen-Hohenlimburg einen Parcours vorbereitet, auf dem sie im Rollenspiel Täter und Opfer eines Amoklaufs darstellte.
Weitaus geläufiger ist der Fall, dass die Polizisten auf dem Gelände ihre eigene Rolle proben und sich auf das Unvorhersehbare so weit wie möglich vorbereiten. Für das eine Mal aber hatte die Kripo am Dienstag Medienvertreter ins Haus gebeten. Diese "polizeilichen Retter" des gestellten Amoklaufs waren im Vorgespräch von einem Trainer präpariert worden und sollten im Haus mit Taktik und Waffe den Täter stellen, wenngleich letzte Details der regulären Übungen Geheimnis der Polizei bleiben müssen.
Mit einem Kopfschuss aus der Farbpatrone endete das Szenario, ein betrüblicher Ausgang. Im richtigen Leben wäre der "Amokläufer" nun tot. Allerdings nicht erst mit diesem Schuss. Die Journalisten trafen den Darsteller im Laufe des Nachmittags gleich sieben Mal. Farbsprenkel von Helm bis Zeh kündeten von einem Eifer, wie er den Beteiligten in der Realität hoffentlich erspart bleibt.
So lag die Übungssituation dem Ernstfall bedrohlich nah. Das Schwitzen, so war rasch klar, beginnt schon auf dem Treppenabsatz mit der 360-Grad-Sicherung. Im Klartext: Es geht Rücken an Rücken die Stufen hinauf, wobei der Hintermann rückwärts läuft und blind auf das vertraut, was ihm sein Partner vermittelt: "Vorsicht Stufe, ich kann noch niemanden entdecken."
Dafür tönen entsetzliche Schreie aus der ersten Etage. Die fiktiven Opfer dort oben hat die nackte Angst gepackt. Schweiß läuft den Rücken hinab, die Beschwörungsformel, es sei "alles nur eine Übung", löst sich in Wohlgefallen auf. Oben angelangt, gähnt ein langer Flur, der zu einem Büro führt. Jetzt noch aufgeben? "Ich muss mal", wäre eine schlechte Ausrede, aber die Wahrheit.
Plötzlich stürzt ein Mann durch eine Tür. "Schießen!", meldet das Gehirn. Doch es ist ein Verletzter, der um Hilfe schreit. Wie im Training besprochen, wird er in den Raum zurückgedrängt und auch die Verletzte, die hinter einer Ecke liegt und winselt, nur mit wenigen Worten vertröstet. Einziges Ziel ist jetzt der Täter.
Vorbeugung Das Szenario eines Amoklaufs ist für die Polizei des Ennepe-Ruhr-Kreises bislang nur eine Übung, der sich nach den Taten von Erfurt und Emsdetten aber inzwischen jeder Polizist im Einsatzdienst unterziehen muss.
Übungsort Das Fabrikgebäude an der Hagener Färberstraße wird in Kooperation mit der Polizei Hagen auch von Beamten der Kreispolizei für Übungszwecke genutzt. Ein Amoklauf ist dabei nur eines der Trainings-Szenarien. Dass Journalisten ein solches Training einmal hautnah erleben durften, ist bislang einmalig.