Nahverkehr: "Zuschuss wird nicht reichen" - Interview mit Thomas Schulte, Geschäftsführer der Verkehrgesellschaft Ennepe-Ruhr

Geschäftsführer Thomas Schulte zur Reform der Verkehrgesellschaft Ennepe-Ruhr.

<strong>Sprockhövel. Herr Schulte, vor 100 Jahren begann der VER-Vorgänger mit der Straßenbahnlinie Milspe - Gevelsberg, wie viele Fahrgäste befördern Sie heute?Schulte: 2005 hatten wir erstmals über 16 Millionen Fahrgäste. 2006 hat sich der Positivtrend der vergangenen Jahre fortgesetzt. Das liegt sicher auch daran, dass immer mehr Schüler befördert werden. Dass die Zuwachsraten über denen des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) insgesamt liegen, sehen wir aber auch als Bestätigung unserer Arbeit. Vor zwei Jahren hat der Kreis die Zielvereinbarung mit der VER gekündigt und ihnen noch größere Bestrebungen zum Abbau des jährlichen Zwei-Millionen-Euro-Defizits verordnet. Wie weit sind Sie seitdem vorangekommen?Schulte: Wir sind auf einem guten Weg. Von vornherein muss man sagen, dass die VER ohnehin das preiswerteste Unternehmen im VRR ist. Das zeigt, wie schwierig weitere Einsparungen sind. Wir haben aber in Absprache mit dem Betriebsrat die Produktivität im Fahrdienst erhöht, sind das Thema Senkung des Krankenstands angegangen und streben Kooperationen etwa mit den Wuppertaler Stadtwerken an. Welche Vereinbarungen gibt es mit dem Betriebsrat?Schulte: Wir haben Maßnahmen zur Gesundheitsförderung der Beschäftigten vereinbart und gehen das Thema Fehlzeiten an. Gab es Personalabbau?Schulte: Nein, wir haben eher noch aufgebaut und derzeit einen Stand von rund 300 Mitarbeitern. Davon sind 215 bis 220 Busfahrer, die Sollstärke liegt bei 220. Gibt es Busfahrer mit unterschiedlichen Tarifverträgen?Schulte: Nein, es gilt seit 2002 für alle unsere Busfahrer der Tarifvertrag Nahverkehr NW. Ist die Vorgabe des Kreises, mit jährlichen Zuweisungen von 4,5 Millionen Euro auszukommen, überhaupt zu schaffen?Schulte: Das ist schwer. Wir werden mit dem Kreis über einen Betrag 4,5 Millionen plus X reden müssen. Wie groß das X ist, wird in diesem Jahr feststehen, wenn alle Restrukturierungsmaßnahmen umgesetzt sind. Dann ist es Sache der Politik zu entscheiden. Sie haben in ihrem Leistungsminderungskonzept fünf Prozent der jährlichen Wagenkilometer gekürzt, müssen die Fahrgäste sich auf weitere Kürzungen einstellen?Schulte: Vorerst haben wir das Konzept umgesetzt, in der Hauptsache durch eine Verlängerung der Taktzeiten von 20 auf 30 Minuten. Die Zahl der kritischen Stimmen war erstaunlich gering, sie lag im zweistelligen Bereich. Trotzdem sind wir jeder Kritik nachgegangen und haben teilweise gegengesteuert, etwa durch eine bessere Verknüpfung der Schnellbusse SB 37 und SB 67. Ob es in Zukunft neue Linienführungen geben wird, kann ich noch nicht sagen. Gerade beginnen wir mit allen Verkehrsbetrieben und Städten an der Überarbeitung des Nahverkehrsplans, das Ergebnis soll 2008 vorliegen. Sind Preiserhöhungen geplant?Schulte: Der Verkehrsverbund Rhein Ruhr hat angekündigt, dass es wohl im August eine Preisanpassung geben wird. Gibt es Serviceverbesserungen?Schulte: Inzwischen setzen wir fast ausschließlich Niederflurbusse ein, ab April verfügen nur noch fünf von 110 Bussen nicht über diese Technik. Im Herbst 2006 haben wir vier neue Schnellbusse angeschafft, die hauptsächlich auf der Linie 67 fahren und alle über Klimaanlage verfügen. Das gilt ab diesem Jahr übrigens für alle Neuanschaffungen. Wir setzen auch die Angebote fort, Sonderbusse zu großen Partyveranstaltungen zur Verfügung zu stellen, wenn sich Sponsoren finden. Ihre Prognose, wie ist die VER in zehn Jahren aufgestellt?Schulte: Durch den demografischen Wandel wird sich sicher einiges verändern. Die Frage ist, ob es noch die klassische Linienstruktur gibt oder verstärkt kleinere, nachfrageorientierte Angebote, die in die Fläche verästeln. Ich kann mir vorstellen, dass wir stärker mit anderen Verkehrsbetrieben zusammenarbeiten. Wir selbst werden aber sicher weiter nur in der Region tätig sein. Thomas Schulte

Geboren: 25. Februar 1962

Werdegang: Seit 2002 VER-Geschäftsführer, vorher zehn Jahre in Frankfurt für den Verkehrskonzern Connex (heute Veolia) tätig, davor für fünf Jahre als Verkehrsplaner in einem Düsseldorfer Planungsbüro.