EN-Kreis Sprockhövel baut Netzwerk gegen Kindesmissbrauch auf

Sprockhövel · Kindergärten, Grundschulen und sogar Zahnärzte sollen mit einbezogen werden.

2022 wurden in Deutschland 15 000 Missbrauchsfälle angezeigt. Die Dunkelziffer dürfte noch höher sein.

Foto: dpa/Jan Woitas

Die Zahlen sind alarmierend – 2022 wurden in Deutschland 15 000 Fälle von Missbrauch an Kindern angezeigt. Die Dunkelziffer ist wesentlich größer. Mit der Einrichtung von Koordinierungsstellen im Bereich Kinderschutz haben die Kommunen seit dem vergangenen Jahr eine Vorgabe aus dem Landeskinderschutzgesetz (Paragraph 9) umgesetzt, das Nordrhein-Westfalen 2022 auf den Weg gebracht hat.

Hintergrund des Gesetzes, das eine Vernetzung aller kommunalen Akteure vorschreibt, die mit der Lebenssituation von Kindern und deren Schutz vor Vernachlässigung, Gewalt und sexuellem Missbrauch befasst sind, ist die Tatsache, dass es bei den Missbrauchsfällen von Lügde (2019) und Bergisch-Gladbach (2022) auch ein Versagen zuständiger Behörden gegeben hat.

Mit Regina Bolle hat Sprockhövel seit Sommer 2023 eine Koordinatorin, die für die Stadt ein Netzwerk zum Schutz von Kindern aufbaut. Im nächsten Schritt werden sich Koordinierungsstellen im Ennepe-Ruhr-Kreis vernetzen und gemeinsame Projekte auf den Weg bringen, wo das sinnvoll ist. „Es gibt aber auch möglicherweise kommunale Besonderheiten, vor deren Hintergrund dann die Kommunen eigene Projekte machen“, erläutert die ausgebildete Pädagogin, die einen Masterabschluss im Bereich „Soziale Inklusion“ erworben hat.

Das Land finanziert die Koordinierungsaufgaben mit einer halben Stelle. Diese sei unbefristet, erläutert Regina Bolle, denn es gelte, für Kontinuität zu sorgen und ein stabiles Netzwerk mit den Einrichtungen und Akteuren aufzubauen, die eng mit Kindern zusammenarbeiten. Nach dem Startschuss hänge ein weitreichender Schutz von Kindern von der effizienten Umsetzung der Vorgaben im Bereich der Netzwerkarbeit ab. Das gehe nur mit einer langfristig verlässlichen Zusammenarbeit aller Stellen. Jugendämter, Polizei und Ordnungsamt, Familiengericht und Staatsanwaltschaft, die Kinderschutzambulanz im Südkreis. Es gelte, Zugänge zu schaffen, Beratungs- und Anlaufstellen für Beobachtende und Betroffene zu schaffen, über Fortbildungsangebote zu informieren und zu sensibilisieren, um im Verdachtsfall rasch handlungsfähig zu sein.

Schlechte Zähne können Hinweis auf Vernachlässigung sein

Zum Kreis der Einrichtungen und Träger, die in das Netzwerk einbezogen werden sollen, gehören auch Kindergärten, Grundschulen oder auch Zahnärzte: „Die ersten Zahnkontrollen finden bereits im Kindergarten statt. Eine schlechte Zahnhygiene kann bereits ein Hinweis auf mögliche häusliche Vernachlässigungen geben“, erläutert Regina Bolle, warum gerade dieser Kontakt so wichtig ist. Aber auch Lehrerinnen und Lehrer, Hebammen und der gesamte Gesundheitssektor und die Träger der Eingliederungshilfe „Frühe Hilfen“ sowie die Berufsgruppe „Geheimnisträger“ werden in die Netzwerkarbeit einbezogen, um ein möglichst lückenloses Schutznetzwerk aufzubauen. Das Landeskinderschutzgesetz sieht ebenfalls vor, dass die Jugendämter und die allgemeinen sozialen Dienste in der Fallarbeit geschult werden und sich beratend und im Verdachtsfall im Netzwerk austauschen können.

Die besondere Bedeutung, die die Stadt Sprockhövel dem Thema Kinderschutz gibt, wird in der Tatsache deutlich, dass sie aus den Landesleistungen der Billigkeitsmittel eine weitere halbe Stelle für den Bereich „Qualitätsentwicklung im Bereich des Kinderschutzes“ mit umfassenden Aufgaben eingerichtet hat. Auch diese Aufgaben bearbeitet Regina Bolle.