Tiergestützte Therapie Sprockhövel: Durch Kontakt mit Schafen kommen Betroffene zur Ruhe

Sprockhövel · Tiergestützte Therapie und Interventionen für Menschen mit Behinderung.

Burkhardt Pfläging und Iris Behrens (r.) begleiten den Ausflug der Wohngruppe zu den Schafen. Thommy Andersson (l.) lockt mit Leckerli und Monika Wiemann (2.v.l.) kennt Schaf Lili seit der Geburt.

Foto: Caroline Büsgen

Bequemlichkeit war ursprünglich das Motiv für Burkhardt Pfläging und Iris Behrens, sich fünf Schafe anzuschaffen, die das Wiesengrundstück beweiden sollten. Aus dieser Idee ist inzwischen eine Schafherde von mehr als 70 Tieren geworden. Eine kleine Gruppe der friedlichen, freundlichen und neugierigen Zeitgenossen „arbeitet“ mit Iris Behrens auch im Rahmen von Tiergestützter Therapie und Interventionen in einer Einrichtung für Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung.

Die Schafzucht ist ihr Hobby, ihre Leidenschaft. Burkhardt Pfläging ist Geschäftsführer des Sinfonieorchesters Wuppertal, seine Frau ist ausgebildete Krankenschwester, hat eine aufwendige Weiterbildung im Bereich der Tiergestützten Therapie und Interventionen absolviert. Die Begeisterung für den Umgang mit Tieren in der Einrichtung hat Iris Behrens eher zufällig beobachtet: „Das neugeborene Lamm Lili haben wir mit der Flasche aufziehen müssen, weil seine Mutter es verstoßen hat. Ich musste allerdings arbeiten. Was blieb mir anderes übrig, als das Neugeborene mit zur Arbeit zu nehmen“, erinnert sich Behrens. So kam Monika Wiemann, die im Wohnverbund Weitmar der Diakonie Ruhr Wohnen mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern lebt, mit Lili in Kontakt. „Ich habe ihr die Flasche gegeben, und wir mussten dem kleinen Schaf Windeln anlegen“, erinnert sich Monika Wiemann. Sie kennt den Geburtstag von Lili, weiß, dass diese Schafe etwa zwei Kilogramm Wolle abgeben, wenn sie geschoren werden. Sie hilft bei der Namenssuche und hat sogar schon unter Anleitung beim Setzen von Ohrmarken geholfen.

„Monika weiß sogar, wie viel Selen die Lämmer nach der Geburt bekommen müssen“, ist Burkhardt Pfläging stolz auf so viel Sachkunde unter den Mitgliedern der Wohngruppe. Die vier Schafe Ada, Lili, Ida und Alma sind besonders mit Menschen vertraut: Längst hat die Rollstuhlgruppe die Reste des gemeinsamen Frühstücks am Rande der Wiese eingepackt, da wuseln die großen wolligen Körper um den Tisch und die Menschen herum. Sie lassen sich streicheln, lieben es, gefüttert zu werden oder legen sich sogar im Kreis der Besucher gemütlich hin.

Ein Gewinn für Menschen mit Behinderung

„Die Bewohner kommen sehr gerne mit auf den Ausflug zu den Schafen“, erläutert der examinierte Altenpfleger Thommy Andersson. „Es ist der Kontakt zu den Tieren, der den Menschen mit Behinderung Freude macht, manche zu Ruhe kommen lässt.“ Darin sieht auch Iris Behrens den Gewinn der Therapie für die Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen: „Die Tiere helfen, Menschen zu aktivieren, sich zu interessieren. Sie sammeln Brot für die Schafe, füttern sie, freuen sich, wenn die Lämmer im Frühling geboren werden.“ Die Erfahrungen mit den Tieren gliedern für die Menschen das Jahr. Der Nachwuchs, die Schur im Sommer, und das Verarbeiten der Wolle im Herbst und Winter gehören zum festen Ablauf in der Betreuungseinrichtung. „Erst reinigen wir die Wolle, kämmen sie, dann wird sie gefärbt“, erläutert Monika Wiemann die Vorbereitungen, bevor die farbige Wolle in Kreativworkshops weiterverarbeitet wird, beispielsweise zu Deko-Artikeln oder bei der Gestaltung von Osternestern.

Johannes Howahrde studiert Soziale Arbeit im vierten Semester. Er absolviert sein Praktikum im Wohnverbund Weitmar der Diakonie Ruhr Wohnen. „Ich bin jetzt das zweite Mal beim Ausflug zu den Schafen. Es ist ein toller Ansatz, den Menschen in eingeschränkten Lebenssituationen ein solches Naturerlebnis zu ermöglichen, und sie in eine andere Lebenswelt einzuführen. Das ist etwas Anderes als eine Alltagssituation“, schätzt er die Arbeit mit den Tieren. Lotta Hestert ist Tagespraktikantin, besucht die 7. Klasse. Sie findet die Arbeit mit Menschen und Tieren spannend und hilft Iris Behrens auch sonst bei der Betreuung der Schafe.

Dass es gerade die Rasse „Moorschnucke“ ist, für die sich die Züchter begeistern, hat einen konkreten Grund. „Von dieser sehr alten Rasse gibt es nur noch 3000 Muttertiere und wir wollen durch die Zucht zur Erhaltung der Rasse beitragen“, begründet Iris Behrens. Mit ihren Tieren besuchen sie Leistungsschauen, sind eine erste Adresse für andere Züchter, die eines der ausgezeichneten Tiere, vielleicht einen gekörten Bock, für die eigene Zucht erwerben wollen.

Züchter hoffen auf einen neuen Impfstoff

Der Pflegeaufwand ist riesig. „Klauenpflege, Impfungen und Wurmkuren sind regelmäßig erforderlich. Hinzu kommt die Schur, die wir auch selbst machen“, erläutert Burkhardt Pfläging. Die Züchter hoffen darauf, dass ein Impfstoff gegen den aktuellen Virenstamm gefunden wird, der für die Blauzungenkrankheit verantwortlich ist. Auch gegen Clostridien, die eine für Lämmer tödliche Nierenerkrankung verursachen können, wird der Nachwuchs geimpft. Traurig sind die Schäfer, wenn Hundekot die Ursache für den Tod von Lämmern ist. Der für neugeborene Lämmer tödliche Parasit heißt neospora caninum und kann über die Hinterlassenschaften der Hunde von den Schafen aufgenommen werden.