Soziales Sprockhöveler Elterninitiative Bullerbü sieht sich als Modell für die Zukunft
Sprockhövel · Vor 30 Jahren gründete sich die Initiative, um Kinderbetreuung in eigener Regie zu organisieren.
Wer etwas anderes als Standard will, wer mitgestalten will und eigene Vorstellungen von Kinderbetreuung umgesetzt sehen möchte, muss selber ran. So etwa waren die Rahmenbedingungen, als sich vor 30 Jahren die Elterninitiative Bullerbü gründete, um Kinderbetreuung in eigener Regie zu organisieren.
Was sich heute als heimeliges Umfeld in einer alten Villa mit knarzenden Holzböden und kleinen verwinkelten Räumen als Erfolgsmodell für alle Beteiligten präsentiert, basiert auf Idealismus und Engagement, auf Toleranz und demokratischen Strukturen.
Bevor es mit der Kinderbetreuung seinerzeit losgehen konnte, musste ein Trägerverein gegründet, ein Haus gefunden, ein Konzept entwickelt, beantragt und genehmigt und Personal gefunden werden.
Die urige Villa an der Brinkerstraße gehört der Stadt und wird dem Verein kostenlos überlassen. Weil vor dem Hintergrund eines Brandschutzkonzeptes aber hier nicht alle 50 Kinder betreut werden dürfen, wurde ein zweites Domizil, ebenfalls an der Brinkerstraße, angemietet. Der Verein ist nicht nur eine Interessenvertretung gleichgesinnter Eltern, sondern auch Arbeitgeber für etwa 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zuschüsse in Form von Kindpauschalen bekommt die private Initiative genauso, wie sie auch die städtischen Einrichtungen erhalten. Die Eltern entrichten an die Stadt ihre monatlichen Beträge für die Betreuung ihrer Kinder, wobei die beiden letzten Jahre kostenfrei sind. Die Mitgliedschaft im Trägerverein kostet 204 Euro pro Jahr, darüber hinaus engagieren sich die Eltern mit 15 Stunden im Jahr in den Einrichtungen. Ab einem Alter von vier Monaten können Kinder aufgenommen werden, die Stundenkontingente liegen bei 45, 35 oder 25 Stunden.
Waldgruppe verbringt den Tag in Feld, Wald und Wiese
Das Besondere an der Elterninitiative Bullerbü ist, dass es auch eine „Waldgruppe“ gibt, die den größten Teil des Tages draußen in Feld, Wald und Wiese verbringt. Sie wird vom stellvertretenden Einrichtungsleiter Martin Ebel geleitet. Die individuelle Betreuung der Kinder in kleinen Gruppen sei für sie damals der Grund gewesen, weshalb sie sich für die Elterninitiative entschieden hat, erinnert sich Susanne Ulrich. Heute ist sie Mitarbeiterin und schätzt das außerordentlich gute Arbeitsklima. Das ist gekennzeichnet durch einen tollen Teamgeist, ein hohes Maß an Flexibilität bei den Arbeitszeiten und die Weiterbildungen, die der Trägerverein den Mitarbeitern ermöglicht.
Christina Richter ist Neu-Sprockhövelerin, auch sie hat ein Kind in der Elterninitiative angemeldet: „Ich finde die Waldgruppe großartig. Außerdem bekommen wir hier über die Vereinsarbeit viele Kontakte und haben ganz schnell Anschluss gefunden“, erläutert die junge Mutter, der es auch sehr wichtig ist, das Betreuungskonzept über die Elternarbeit mitzugestalten.
Als Rafaela Ohlmeier die Leitung der Einrichtung übernahm, war sie auch ein bisschen skeptisch: „Ich hatte schon viel Erfahrung in öffentlichen Einrichtungen, war mir aber nicht sicher, ob mir die Arbeitsweise und enge Zusammenarbeit mit dem Verein liegen würde. Das war die beste Entscheidung meines Lebens“, sagt sie heute.
Als in der Vergangenheit mehrfach die Gehälter im öffentlichen Dienst nach Tarifrunden stiegen, sah sich der Verein vor ein Problem gestellt: „Das hätten wir als Verein nicht stemmen können. Wir hätten Personal entlassen müssen“, erinnert sich der Vorsitzende, Jens Pohlmann. „Gemeinsam haben wir entschieden, dass wir uns nicht mehr am Tarif für den öffentlichen Dienst anlehnen wollen, um die Qualität der Betreuung aufrecht erhalten zu können.“ Ein hohes Maß an Mitarbeiterorientierung und freiwillige Boni, die gezahlt werden können, wenn die Kassenlage das möglich macht, bedingen dennoch ein hohes Maß an Mitarbeiterzufriedenheit und Engagement.
Und die für das kommenden Jahr beschlossene Anhebung der Kindpauschale ermöglicht auch der Elterninitiative neue Handlungsspielräume. „Obwohl es im Stadtgebiet von Sprockhövel nach Aussagen der Stadt ausreichend Kita-Plätze gibt, ist unsere Elterninitiative ein Zukunftsmodell“, freut sich Jens Pohlmann mit seinem Team über die große Akzeptanz eines Konzepts, das seit 30 Jahren fest zur Landschaft der Sprockhöveler Betreuungseinrichtungen gehört.