Wenn die Barrierefreiheit vergessen wird

Behinderten- und Seniorenbeirat wollen den Ist-Zustand verbessern. Ein Negativbeispiel ist das Bürgerhaus in Niedersprockhövel.

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Obersprockhövel. In Zeiten des demografischen Wandels gewinnt das Thema Barrierefreiheit immer mehr an Bedeutung, zugleich verweisen Kommunen gerne auf die angespannten Finanzen, wenn es um die Frage von behinderten- und altersgerechten Zu- und Aufgängen in öffentlichen Gebäuden oder Anlagen geht. Wie viel in diesem Bereich bereits in Sprockhövel erreicht — ober eben nicht erreicht — ist, damit befasst sich heute Abend die gemeinsame Sitzung von Behindertenbeirat und Seniorenbeirat in Obersprockhövel. Nach Ansicht der Beiräte gibt es in der Stadt noch zahlreiche Einrichtungen oder Verkehrsflächen, die nicht barrierefrei sind. Deshalb soll nun eine Diskussion darüber angestoßen werden, welche Bereiche aus Sicht der Betroffenen wie verändert werden sollten. In Absprache mit der Verwaltung soll zunächst der Ist-Zustand erfasst und dann eine Liste mit möglichen Verbesserungen vorgelegt werden.

„Wir möchten gerne eine Liste erstellen, mit der Prioritäten gesetzt werden“, sagt der Vorsitzende des Seniorenbeirates, Peter Rust. Aufgeführt werden soll in der Liste auch der zeitliche Aufwand, der für die baulichen Veränderungen an den kritisierten Stellen aufgewendet werden muss. Bis wann die Liste vorliegt, kann nach Ansicht von Rust derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Denkbar sei in diesem Zusammenhang auch, dass Mitglieder der Beiräte sich zum Beispiel Gebäude und Örtlichkeiten anschauen, um einen möglichen Verbesserungsbedarf bei der Nutzung durch Senioren und Behinderte zu klären. Zu möglichen Vorhaben, die auf der Liste erscheinen könnten, möchte Rust derzeit noch keine Angaben machen.

Klar ist allerdings, dass die Beiräte bei ihren Überlegungen vor allem ein Negativbeispiel vor Augen haben, wie es nicht laufen sollte: das Bürgerhaus am Busbahnhof in Niedersprockhövel.

Im ersten Stock der ehemaligen Grundschule entstand ein Bürgerforum, auch die Volkshochschule ist hier vertreten. An sich eine erfreulich Tatsache, wenn bei dem Umbau nicht vergessen worden wäre, die Belange der Behinderten und Senioren zu berücksichtigen, erklärt Rust. So kämen Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, nicht in die erste Etage. Für Rust ist das ein Paradebeispiel dafür, wie die Politik Dinge umsetzt, ohne zuvor mit den Betroffenen zu sprechen. Auch die Vorsitzende des Behindertenbeirates, Dagmar Lock, sieht das so. Bisweilen werde „vom grünen Tisch aus entschieden“, ohne mit Senioren oder Behinderten über deren Belange und Interessen zu sprechen, sagt sie. Deshalb sei es wichtig, wenn die Kompetenzen der Beiräte von der Politik stärker genutzt würden.

Wegen der fehlenden barrierefreien Nutzung des Bürgerhauses in Niedersprockhövel hatte es bereits eine Protestkundgebung gegeben. Derzeit lehnt die Zentrale Gebäudebewirtschaftung der Stadt noch ab, einen Außenfahrstuhl an dem Gebäude anzubringen. Diese Haltung ist für den Ausschussvorsitzenden Rust „nicht akzeptabel“. Man dürfe nicht immer nur mit Verweis auf die Kosten bestimmte Baumaßnahmen ablehnen, erklärt er. Vielmehr sei es nötig, zu prüfen, ob Geld für die Maßnahmen bereitgestellt werden könne. Sinnvoll sei es zudem, jedes Jahr Geld für Vorhaben zur Schaffung der Barrierefreiheit zurückzulegen.

Als Beispiel, wie es geht, verweist Rust nach Hattingen: Dort sei ebenfalls eine alte Schule mit einem außenliegenden Fahrstuhl ausgestattet worden. Das Thema Barrierefreiheit wird vor allem in der Landesbauordnung NRW geregelt (Paragraf 55). Dort steht: „Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teilen von Menschen mit Behinderung, alten Menschen und Personen mit Kleinkindern barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können.“ Laut Michael Bergediek, Vertreter der Stadtverwaltung im Behindertenbeirat, gilt diese Auflage allerdings nur für Neubauten, nicht bei der Renovierung alter Gebäude. Nach Ansicht des Ausschussvorsitzenden Rust sollte zudem der Behindertenführer für die Stadt Sprockhövel überarbeitet werden. Der sei mittlerweile zehn Jahre alt und müsse auf den neuesten Stand gesetzt werden.