Haushalt Streit über Milliarden-Rettungsschirm - SPD stellt Bedingungen

Düsseldorf · Der russische Krieg gegen die Ukraine hat schwere Folgen auch für Nordrhein-Westfalen. CDU und Grüne wollen fünf Milliarden Euro neue Schulden machen, um die Folgen zu finanzieren. Die SPD traut dem nicht.

Das Plenum und nicht nur der Haushaltsausschuss des Landtags solle die Entscheidungen über die Verwendung der Mittel aus dem Sondervermögen treffen, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty.

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Die oppositionelle SPD im NRW-Landtag fordert im Ringen um einen milliardenschweren Rettungsschirm zur Bewältigung der Energiekrise und Preissteigerungen einen Parlamentsvorbehalt für alle Ausgaben. Das Plenum und nicht nur der Haushaltsausschuss des Landtags solle die Entscheidungen über die Verwendung der Mittel aus dem Sondervermögen treffen, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty am Dienstag. Außerdem forderte er für alle Haushaltspläne ein „Testat“ des Justizministeriums, dass die Maßnahmen verfassungsgemäß seien. Eine Verfassungsklage der SPD im Fall eines Alleingangs der Landesregierung schloss er nicht aus.

Einen kurzfristig von CDU und Grünen eingebrachten Antrag zur Erklärung der finanziellen Notsituation werde die SPD am Mittwoch jedenfalls so nicht mittragen, sagte Kutschaty. Die Begründung für die Notlage sei lückenhaft. Bis vor vier Wochen habe die Landesregierung diese noch gar nicht als notwendig gesehen. Auch diese Kehrtwende müsse begründet werden.

Die Landesregierung will ein sogenanntes Sondervermögen zur Krisenbewältigung schaffen. Dafür sollen bis zu fünf Milliarden Euro neue Schulden gemacht werden. Zur Umsetzung ist ein zweiter Nachtragshaushalt für das ablaufende Jahr 2022 geplant, der am Mittwoch in das Plenum eingebracht wird.

Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) will für das Sondervermögen Ausnahmeregelungen zur Schuldenbremse in einer „außergewöhnlichen Notsituation“ ziehen. Das ursprüngliche Vorhaben, Milliarden aus dem Corona-Rettungsschirm zu nutzen, wurde nach Kritik des Landesrechnungshofs an der Verfassungsmäßigkeit kurzfristig fallengelassen.

CDU und Grüne seien nach wie vor die Antwort schuldig, für welche Maßnahmen sie die Milliarden-Kredite überhaupt aufnehmen wollten, sagte Kutschaty. Er verlangte einen Nachweis, dass aus dem Rettungsschirm nicht „schöne Koalitionsprojekte“ wie zum Beispiel Wärmepumpen für Haushalte finanziert würden, die über die aktuelle Notsituation hinausgingen. Außerdem müsse die Landesregierung erklären, warum die Maßnahmen nicht aus anderen Stellen im regulären Haushalt - etwa durch Kürzungen - bezahlt werden könnten.

Die schwarz-grüne Regierungskoalition legte am Mittwoch im Alleingang einen Antrag zur Feststellung einer „außergewöhnlichen Notsituation“ vor, die Voraussetzung für das geplante Sondervermögen ist. „Die Notsituation erfordert ein unverzügliches Handeln, so dass ein Zuwarten bis zum Inkrafttreten des Haushaltsgesetzes 2023 nicht verantwortet werden kann“, heißt es in dem Antrag. Die Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage bestehe für beide Haushaltsjahre 2022 und 2023. Denn im kommenden Jahr werde die Mehrzahl der notwendigen Maßnahmen anfallen.

Nach Ansicht der SPD muss die außergewöhnliche Notsituation nicht schon am Mittwoch durch den Landtag beschlossen werden. Kutschaty warf CDU und Grünen vor, die SPD mit der Eile ihres Antrags unter Druck zu setzen. „Diese Erpressung machen wir nicht mit.“ Bis zur geplanten Verabschiedung des Haushalts am 20. Dezember sei noch genug Zeit für Verhandlungen.

Die Landesregierung sieht dem Gesetzentwurf zufolge über die gesetzlich verankerte Zweckbindung des Sondervermögens sichergestellt, „dass die Mittel ausschließlich für die aufgrund der außergewöhnlichen Notsituation notwendigen Maßnahmen eingesetzt werden können“. Das Sondervermögen und der damit verbundene bereits zweite Nachtragshaushalt für 2022 werden mit dem andauernden russischen Angriffskrieg auf die Ukraine begründet, der das Industrieland NRW mit energieintensiven Unternehmen härter treffe als andere Bundesländer.

Die Einstellung der russischen Gaslieferungen, starke Preissteigerungen bei Gas und Strom stellten „eine erhebliche, zunehmend existenzbedrohende Belastung“ für Bevölkerung, Institutionen und Unternehmen dar. Hinzu kämen steigende Flüchtlingszahlen. „Die zerstörerischen Angriffe Russlands auf die Infrastruktur der Ukraine lassen befürchten, dass die Fluchtbewegung aus der Ukraine wieder zunehmen wird.“

Die SPD legte ein eigenes Hilfsprogramm vor und fordert etwa eine Entlastung von Familien in Höhe von knapp einer Milliarde Euro. Damit sollen unter anderem Kosten für Mittagessen in Schulen und Kitas sowie Gebühren für Kitas und den offenen Ganztag übernommen werden. Mit einem Notfallfonds in Höhe von einer Milliarde Euro sollen nach Ansicht der SPD Vereine und Verbände unterstützt werden. Eine Milliarde Euro brauchten die Kommunen. 200 Millionen seien als Liquiditätshilfen für Unternehmen notwendig. Zur Überbrückung der Zeit bis zur Einführung des 49-Euro-Tickets sollten außerdem Ticketkosten für die ÖPNV-Monatstickets bezuschusst werden.

Die SPD habe aus dem milliardenhohen Corona-Rettungsschirm der Landesregierung gelernt, sagte Kutschaty. „Noch mal machen wir das nicht mit, dass wir Milliarden pauschal zur Verfügung stellen, aber anschließend alle unsere Ideen und Vorschläge abgelehnt wurden.“

(dpa)