Vertuschung? Studie aus Münster: Priester missbraucht jahrelang Kinder - und das Bistum wusste Bescheid

Münster/Vechta · Pfarrer soll teilweise massiven Missbrauch an Kindern verübt haben - obwohl es der Bistumsleitung bekannt war. Das geht aus einer neuen Studie aus Münster zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche hervor.

Nach der Pressekonferenz zur Vorstellung der Studienergebnisse zum Missbrauch im Bistum Münster, steht das Buch neben Felix Genn, Bischof von Münster. In der Westfälischen Wilhelms Universität stellt das Forschungsteam die Studienergebnisse aus dem Missbrauch von 1945 - 2020 im Bistum Münster vor.

Foto: dpa/Guido Kirchner

Eine neue Studie zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche hat auch schwerwiegende Fälle im niedersächsischen Gebiet des Bistums Münster aufgearbeitet. So soll ein 2017 gestorbener Pfarrer zwischen 1959 und 1986 teilweise massiven Missbrauch an Kindern im Alter zwischen 7 und 15 Jahren verübt haben. Die Historiker der Universität Münster rekonstruierten, dass der Geistliche 1971 in die Gemeindearbeit nach Delmenhorst versetzt wurde, obwohl der Missbrauch zu diesem Zeitpunkt nach Angaben von Zeugen Personen in der Bistumsleitung bekannt war.

Dadurch sei es möglich gewesen, dass der Mann mindestens über weitere 15 Jahre immer wieder Kinder missbrauchte, heißt es in der am Montag in Münster vorgestellten Studie. Dies habe tiefgreifende seelische Schäden bis hin zum Suizid verursacht, wie die Aussagen von Betroffenen sowie eines Vaters eines Betroffenen vermuten ließen. Die Vorwürfe gegen den Pfarrer waren den Autoren zufolge 2011 auch in Delmenhorst bekanntgeworden. Der Umzug des mutmaßlichen Serientäters in ein Altenheim im südlichen Oldenburger Land aufgrund einer Demenzdiagnose sei Mitgliedern seiner ehemaligen Gemeinde als Vertuschung erschienen.

Unter anderem nehmen die Wissenschaftler auch den Fall eines Propstes in Vechta unter die Lupe, der zwischen 1948 und 1951 wegen Missbrauchstaten an Jungen angezeigt wurde. In diesem Fall habe die Kirche Einfluss auf staatliche Behörden genommen, um den Ort des Strafprozesses unter mutmaßlich vorgeschobenen Gründen zu verlegen. Auch mit Hilfe kirchennaher medizinischer Experten sei ein Freispruch wegen „partieller Unzurechnungsfähigkeit“ erreicht worden. Das Offizialat Vechta habe noch 2010 die „beschönigende, wenn nicht gar deutlich verfälschende“ Interpretation vom „kranken Priester“ übernommen, kritisieren die Historiker in dem Buch.

(dpa)