Müll als Exportware ist in Zeiten der Globalisierung Normalität. Trotzdem gibt es Unmut Weniger Plastikmüll exportiert
BERLIN · Deutsche Firmen haben 2021 deutlich weniger Plastikmüll exportiert als zuvor. Rund 697 000 Tonnen Kunststoff-Abfall seien ins Ausland transportiert worden und damit ein Drittel (32 Prozent) weniger als 2020, teilte der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) in Berlin mit.
Es geht zum Beispiel um Industriefolien, Produktionsabfälle und Lebensmittel-Verpackungen. Auf Basis einer Branchenschätzung von 2019 fallen jedes Jahr in Deutschland etwa sechs Millionen Tonnen getrennt gesammelte Kunststoffabfälle an.
Die Exportzahlen für die Monate Januar bis Oktober stammen vom Statistischen Bundesamt, die Monate November und Dezember sind Schätzwerte des BDE. In Deutschland anfallender Plastikabfall muss verwertet werden, er wird zu Kunststoff-Granulaten verarbeitet oder endet als Brennmasse in Kraftwerken. Die Granulate werden zur Herstellung neuer Produkte genutzt, etwa Polyester-Kleidung, Mülltüten oder Straßen-Poller. Dies kann auch im Ausland geschehen.
BDE-Chef Peter Kurth wertet den Rückgang positiv. Es zeige sich, dass die Inlandsnachfrage nach den Rohstoffen gestiegen sei. Der Branchenvertreter gab aber zu bedenken, dass auch stärkere Importrestriktionen asiatischer Staaten und die Corona-Pandemie samt unterbrochener Lieferketten eine Rolle gespielt haben dürften. Ein Trend sei aber da, zumal schon im vergangenen Jahr die Exportmenge gesunken sei, so Kurth – damals um neun Prozent. Bemerkenswert ist zudem, dass der mit den Plastikexporten gemachte Umsatz trotz des Mengeneinbruchs mit 259 Millionen Euro fast gleich geblieben ist. Eine mögliche Schlussfolgerung: Die Preise insgesamt und die Qualität des Exportguts stiegen an.
Deutliche Änderungen gab es zudem bei der Liste der Importeure. Jahrelang war China der Hauptabnehmer. Das führte dort zu Nebenwirkungen: Die Qualität des Abfalls, den China aus aller Welt importiert hatte, war mitunter gering und er wurde nur teilweise ordnungsgemäß recycelt – andere Teile blieben als Müll in der Umwelt. Peking verschärfte vor einigen Jahren die Importregeln für Abfälle. Die Müllströme verlagerten sich in andere asiatische Staaten, ab 2018 war Malaysia der abnehmerstärkste Importeur von deutschem Plastikmüll. Auch Indien, Indonesien und Vietnam bekamen größere Mengen. Das hatte Folgen. So sorgte zum Beispiel deutscher Plastikmüll für Aufsehen, der in der Wildnis von Malaysia illegal deponiert worden war. Auch andere asiatische Staaten wurden restriktiver bei Abfallimporten. Neuer Spitzenreiter sind die Niederlande mit einer Kunststoff-Importmenge aus Deutschland von 136 000 Tonnen im vergangenen Jahr, das waren 12 Prozent weniger als 2020.
Ausfuhren in EU-Nachbarstaaten wie die Niederlande gelten als weniger kritisch, weil die Recycling-Standards dort ähnlich hoch sind. Die Türkei wiederum ist in dem neuen Ranking auf Platz 2, Polen Dritter. Deutschland selbst importierte 446 000 Tonnen Kunststoffabfall, das waren neun Prozent weniger als 2020.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will den Export von Plastikmüll ins Ausland weitgehend unterbinden. „Ich setze mich auf EU-Ebene für ein weitgehendes Exportverbot ein“, sagte die Ministerin dem „Tagesspiegel“. Das lasse sich aber nur im Rahmen des EU-Binnenmarkts regulieren. „Außerdem will ich schon bald mit den Bundesländern besprechen, wie wir den Vollzug der bestehenden Regeln verbessern können.“ Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung aus SPD, Grünen und FDP ist vorgesehen, das der Export von Abfällen europarechtlich nur noch in „zertifizierten Recyclinganlagen“ möglich sein soll.