Deutschland statt Schottland Whisky aus Sprockhövel - Made in Germany wird immer beliebter
Kail/Sprockhövel · Ernest Hemingway hat Whisky geliebt, die Schotten trinken ihn seit Jahrhunderten. Und inzwischen wird auch in Deutschland immer mehr von der goldenen Spirituose produziert. Eine Rolle spielen dabei Getreidefelder, Holzfässer und Drohnen.
Die US-Metal-Band Metallica und der US-Musiker Bob Dylan haben 2018 den Verkauf von eigenem Whiskey angekündigt. Dabei dürften die allermeisten Menschen bei dem edlen Getreidebrand zuerst an Schottland denken und nicht an die USA. Aber Whisky aus Deutschland? Das passt für viele auf den ersten Blick nicht zusammen.
Dabei gibt es hierzulande inzwischen eine echte Kultur des edlen Getreidebrands. Und zwar mit starker regionaler Verankerung. Zum Beispiel nahe der Mosel: Mit einer Drohne hat Hubertus Vallendar in verschiedenen Jahreszeiten das Roggenfeld seines Nachbarn fotografieren lassen. Hinzu kommen Fotos der Kirche seines Heimatdorfs Kail in Rheinland-Pfalz. „Das wird ein Booklet für unseren Whisky. Dann weiß man genau, wo unser Rohstoff wächst. Das stärkt das regionale Bewusstsein für unser Produkt“, sagt der Chef der Brennerei, die seinen Namen trägt. In den USA und Irland wird die Spirituose mit e geschrieben, überall sonst ohne.
„In Deutschland produzieren rund 200 Brennereien Whisky, in Schottland nur etwa 130“, sagt die Präsidentin des Verbands Deutscher Whiskybrenner, Michaela Habbel von der Destillerie & Brennerei Heinrich Habbel im südlichen Ruhrgebiet. Allerdings gebe es hierzulande auch etliche Kleinstbetriebe wie Obstbrennereien mit einer Whisky-Jahresproduktion von teils nur einem Fass. In Schottland werde weiterhin mehr Whisky gebrannt. Der deutsche Anteil am Weltmarkt der aus Getreidemaische destillierten und im Holzfass gereiften Spirituose ist noch verschwindend gering.
Hubertus Vallendar steht neben seinen Holzfässern und testet mit einem Glas seine Produkte. „Deutscher Whisky wird erst ganz allmählich bekannt“, sagt der Edelbrenner. „Deutschland hat schon immer Getreide gebrannt, aber das nur als Korn vermarktet, zum Beispiel als Klaren oder Doppelkorn.“ Seit etwa 15 Jahren gebe es den Trend zu deutschem Whisky. „Neu ist, dass er wirklich professionell gemacht wird.“ Es gebe auch immer mehr regionale Whiskymessen, etwa in Hamburg, München, Berlin und Limburg.
Auch Anne Büttner vom Whiskymuseum auf der Kyrburg im rheinland-pfälzischen Kirn spricht von deutlich mehr Interesse an dem „Wasser des Lebens“, wie die Übersetzung des ursprünglich gälischen Wortes Whisky lauten soll. „Heute ist es mit dem Internet viel leichter als früher, sich zu informieren, Bewertungen zu lesen und zu kaufen.“ Tausende Whiskyflaschen aus aller Welt können sich Besucher im Gewölbekeller der Kyrburg anschauen. Manche sind Raritäten - und bei „Tastings“ auch verkosten.
Nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure (BSI) in Bonn trinken inzwischen rund sechs Millionen Bundesbürger regelmäßig Whisky: Den Anteil des Getreidebrands am deutschen Spirituosenmarkt gibt der BSI mit etwa einem Zehntel an. Wie viel Umsatz deutsche Produzenten mit der hochprozentigen Spirituose erzielen, wird laut dem Verband Deutscher Whiskybrenner bislang nicht erfasst.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung warnt vor übermäßigem Konsum: „An mindestens zwei Tagen pro Woche sollte gar kein Alkohol konsumiert werden.“ Auch Vallendar sagt: „Aufklärung ist wichtig. Es geht nicht um Komasaufen.“ Verbandspräsidentin Habbel betont: „Wir sehen uns als Genussmittelhersteller und nicht als Betäubungsmittelhersteller.“
Hubertus Vallendar liebt die Vielfalt des Kornbrands: „Whisky ist sehr individuell.“ Je nach Brennerei, Getreideart, Holzfass, Temperatur und Luftfeuchte schmecke die Spirituose anders.
Deutschland statt Schottland? „Viele Schottlandfans sind Fans von deutschem Whisky geworden“, sagt Habbel. Billig ist die langwierige Produktion des Kornbrands hierzulande grundsätzlich nicht: Eine Tonne Gerstenmalz zum Beispiel kostet nach Habbels Angaben 600 bis 800 Euro, ein handgefertigtes 500-Liter-Holzfass um die 800 Euro.
Für das nötige Brennrecht müssen Produzenten bestimmte Auflagen erfüllen. In der Europäischen Union muss der Getreidebrand drei Jahre lang im Holzfass reifen, bevor er Whisky heißen darf. Schnelles Geld lässt sich damit also nicht machen - langfristig kann man aber einen guten Ertrag erzielen. „Es gibt keine bessere Verzinsung als Whisky“, sagt Vallendar. Das Produkt ist in seiner Individualität endlich, der Wert steigt mit seinem Alter - längst ist Whisky auch ein begehrtes Sammelobjekt.
Besonders wertvoll können Tropfen der „lost distilleries“ sein, also der verlorenen beziehungsweise geschlossenen Brennereien. Manche Whiskys sind Uraltprodukte: Im Herbst 2018 ist in Schottland eine Flasche mit 1926 gebranntem und 1986 abgefülltem Macallan Valerio Adami für den Rekordpreis von umgerechnet fast 960 000 Euro versteigert worden.