Sportgeschichte Zweimal lief Armin Hary 10,0 - und ein Wuppertaler war dabei
Wuppertal · Vor 60 Jahren schrieb der Sprinter Armin Hary in Zürich Sportgeschichte. Ohne einen Wuppertaler wäre der Rekord wahrscheinlich nicht möglich gewesen.
Vor einigen Tagen jährte sich zum 60. Mal ein Sportereignis, das den Sprinter Armin Hary zur Legende machte. Hary lief am 21. Juni 1960 in Zürich gleich zweimal innerhalb von einer Stunde den 100-m-Sprint in der damals magischen Weltrekord-Zeit von 10,0 Sekunden. 10,0 - diese Marke machte Hary zum Sportidol, und sie blieb bis 1968 mit der Einführung der Tartanbahnen unerreicht. Der Wuppertaler Jürgen Schüttler war vor 60 Jahren beim Abendsportfest im Züricher Letzigrund-Stadion mit am Start - und ohne ihn hätte es den legendären Rekord in dieser Form wohl auch nicht gegeben.
Sechs Läufer gingen in Zürich auf der Aschenbahn im A-Lauf ins Rennen. Unter ihnen Armin Hary, die große deutsche Olympiahoffnung. Jürgen Schüttler durfte als amtierender Deutscher Jugendmeister im Trikot des ASV Köln gegen die starke internationale Konkurrenz antreten. Im April hatte er sein Abitur am Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium gemacht. Nun hoffte er in Zürich auf das Erreichen der Olympianorm, die mit einer Zeit von 10,4 Sekunden angesetzt war.
Amin Hary, als schneller Starter mit einer enormen Beschleunigung ausgestattet, lief mit großem Vorsprung durchs Ziel. Zwar wurde er am Start nicht zurückgeschossen, aber der Verdacht eines Fehlstarts lag in der in der Luft. Jürgen Schüttler erinnert sich: „Der Journalist Gustav Schwenk hat Hary darauf hingewiesen, dass er das Recht auf einen Wiederholungslauf habe. Voraussetzung war, dass mindestens zwei weitere Läufer mit an den Start gehen würden. Und das waren der Schweizer Meister Heinz Müller und ich. Im ersten Lauf waren außerdem Franzosen und Engländer am Start, aber die hatten kein Interesse an einem zweiten Weltrekordlauf von Hary. Man darf nicht vergessen, dass 1960 der Krieg noch nicht so lange vorbei war.“
Für die drei Athleten folgten aufregende Minuten in einer hektischen Atmosphäre, denn der zweite Lauf musste in das Programm des erstklassig besetzten Abendsportfestes eingepasst werden. „Für Hary stand beim zweiten Start viel auf dem Spiel, denn wenn er um ein, zwei Zehntel langsamer gewesen wäre, hätten alle die Zeit aus dem ersten Rennen in Zweifel gezogen. Doch Hary zog das nervenstark durch, weil er von seiner guten Form überzeugt war. Beim zweiten Lauf soll dann eine der drei Stoppuhren die Zeit von 9,9 Sekunden angezeigt haben“, erinnert sich Schüttler.
Der Wuppertaler Junge im Trikot des ASV Köln kam im zweiten Rennen in 10,4 Sekunden ins Ziel, Heinz Müller stellte mit 10,3 einen neuen Rekord für sein Heimatland auf. Schüttler hatte die Olympianorm geschafft, durfte aber nicht mit zu den Olympischen Spielen in Rom, weil bei den Deutschen Meisterschaften drei Läufer schneller als er waren. Mit dem Hürdenläufer Martin Lauer war ein weiterer Weltrekordmann (110 m Hürden) für die Staffel gesetzt. Es war die große Zeit der deutschen Sprinter, denn Armin Hary gewann gleich zwei Goldmedaillen in Rom - über 100 m und mit der deutschen 4 x 100-m-Staffel, die von einem Wechselfehler des US-Teams profitierte.
Sportliche Laufbahn begann
bei der Elberfelder TG
Jürgen Schüttlers Name findet sich noch heute in den Bestenlisten der Wuppertaler Leichtathletik. Doch kaum jemand weiß noch, dass der Fabelrekord von Armin Hary ohne Wuppertaler Beteiligung nicht möglich gewesen wäre. Der frühere Stadtsportbundvorsitzende Willfried Penner erinnerte anlässlich des Jahrestages des legendären Rennens im Gespräch mit der WZ daran, dass die sportliche Laufbahn seines WDG-Mitschülers bei der Elberfelder TG begonnen hatte, bevor er in Köln durchstartete.
„Mit Walter Nicolini hatte ich bei der ETG einen hervorragenden Trainer, dann hat mich Manfred Germar nach Köln geholt. In den 1960er Jahren waren wir der FC Bayern der Sprinter“, so Schüttler. 1960, 1963 und 1964 wurde er mit der 4 x 100-m-Staffel des ASV Köln Deutscher Meister. 1960 in der Top-Besetzung: Bernd Cullmann, Martin Lauer, Jürgen Schüttler und Manfred Germar.
Erst vor drei Jahren hatte Jürgen Schüttler wieder Kontakt zu Armin Hary. „Ich habe ihn zu seinem 80. Geburtstag angerufen, und wir haben uns über den Wettkampf in Zürich unterhalten“, so Jürgen Schüttler, der in diesem Jahr selbst den 80. Geburtstag gefeiert hat. Oft wurde darüber spekuliert, wie schnell Hary auf einer Tartanbahn gelaufen wäre. Eine Frage, die auch Schüttler beschäftigt hat. „Ich denke schon, dass es auch bei mir in die Nähe von 10,0 hätte gehen können“, sagt er.
Als Erinnerung sind ihm Fotos von den beiden Weltrekordläufen in Zürich geblieben. „Auf einem sieht man den Start des zweiten Rennens, und da liege ich auf den ersten Metern vor Hary. Das war möglich, weil er unbedingt einen Fehlstart vermeiden wollte. Mit seiner Beschleunigung war er nach ein paar Metern sonst schon auf und davon“, sagt Jürgen Schüttler schmunzelnd.