Begrabt mein Herz in Wuppertal Ein verhinderter Kosmopolit
Wuppertal · Unser Kolumnist berichtet von seinen ersten Berufszielen. Noch heute hat er konkrete Vorstellungen, wohin er als Reisekaufmann seine Kunden geschickt hätte.
Allmählich läuft das gesellschaftliche Leben wieder locker an. Die Gastronomie kommt ins Rollen, und kann sich schrittweise finanziell erholen. Bei Musikern und Künstlern sieht die Sache leider schlechter aus. Ich selber hatte ja Glück, da mir im Mai der Springmann-Preis verliehen wurde, so konnte ich mir auch in Krisenzeiten weiterhin Champagner und Austern leisten. Allerdings musste ich mir auch ein Blutdruckmessgerät anschaffen, und den Rest des Geldes für die zweite Welle zurücklegen.
Was mich aber aktuell am meisten beruhigt, ist die Tatsache, dass die vielen mega-kritischen People, die an den Schutzmaßnahmen herumnörgelten, und sich dabei auf Demos zwangsläufig und überwiegend mit Vollidioten aller erdenklichen Schattierungen mischten, nun ihre Plakate und kleinen Pappschildchen im Keller einlagern.
Jetzt ist endlich Urlaubszeit, das gehört auch zum Leben, genau wie Kritik, Protest, Arbeit, Fußball, Liebe und Hobby. Passend dazu öffnen sich gerade die Grenzen zu unseren europäischen Nachbarn wieder. Nun können sich die Befürworter der Schutzmaßnahmen und deren Gegner gemeinsam auf die Reise begeben, um zunächst in Autoschlangen zu verweilen, und später wieder fremden Kulturen zu begegnen und die liebevolle Gastfreundschaft der Einheimischen zu erleben. Auch denen, die nur ihre Schweinshaxe bei 30 Grad im Schatten auf Mallorca verspeisen wollen, sei ein Urlaub von Herzen gegönnt. Selbst ein strammer Deutschnationaler will mal ausspannen, und vielleicht auf Kreta seine Füße in den wohlig warmen Sand vergraben.
Für eine nicht unerhebliche Anzahl meiner Landsleute, da bin ich mir leider sicher, ist der Grieche in Griechenland besser aufgehoben, als hier bei uns. Auch der Türke passt eher in die Türkei, so kürzlich gehört bei einem Passanten, der Wert darauf legte zu betonen, dass er trotzdem kein Nazi sei. Gegen den Ausländer im Ausland gibt es für einen Nationalkonservativen nichts einzuwenden. Gerne dürfen auch Türken und Griechen bei uns Urlaub machen. Aber nein, lieber wollen sie hier arbeiten und auch noch wohnen. Auslöser für das Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren war ein Meteoriteneinschlag. Damit Neo-Nazis aussterben, müsste sich exakt so etwas wiederholen. Okay, alle anderen Menschen würden dann auch sterben, aber das wäre es mir fast wert.
Passend zur Urlaubszeit muss ich Ihnen beichten, dass ich eigentlich ein Kosmopolit bin, der die ganze Erde als seine Heimat betrachtet und bereisen möchte. Bedingt durch einen Genfehler, eine Art Wegfahrsperre, sind meine Reisefähigkeiten leider behindert und gelähmt. Mein früher Berufswunsch war daher auch die Tätigkeit des Reisebürokaufmanns. Ich stellte es mir wunderschön vor, Menschen auf Reisen in ferne, exotische Länder zu schicken, Reisen, die ich selber leider nicht antreten konnte. Ich malte mir aus, wie ich mit ihnen zusammen in meinem kleinen Reisebüro sitze, hübsche Hotels aussuche und alles zu ihrer Zufriedenheit in einen finanziell passenden Rahmen bringe. Irgendwann habe ich dann aber erfahren, dass die Tarifgehälter im Reisebürogewerbe erschreckend niedrig sind, da habe ich mir gedacht, da kommt man ja auf keinen grünen Zweig, auch weil man später eine Familie gründen und Kinder haben will. Außerdem konnte ich mir vorstellen, da ich ein sehr direkter Mensch bin, der kein Blatt vor den Mund nimmt, dass ich nette Kunden an die Costa Brava geschickt hätte, Blödmänner aber in die Wüste.