Stadtleben Als würde man einen Kurzurlaub machen

Bracken · Bracken ist alt, klein, grün und ruhig. Es wurde vor allem geprägt von der Bahnstrecke.

Der Haltepunkt Bracken an der Nordbahntrasse wurde vom Bürgerverein Nächstebreck restauriert. Die Bahnstrecke war immer wichtig für das Quartier.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Eben noch auf der Wittener Straße mit ihren Häusern und dem Verkehr, dann biegt man ab in Richtung Bracken – und die Welt scheint eine andere zu sein. Grün, wo man hinschaut. Pferde grasen auf einer Weide. Ein Bussard streicht ab, Krähen rufen. Man überquert einen Bach und der Haltepunkt Bracken kommt in Sicht. Der Bürgerverein Nächstebreck hat sich um die Restaurierung gekümmert. Wo einst die Eisenbahn fuhr, nutzen jetzt Radfahrer und Spaziergänger die Trasse. Eiligen Schrittes kommt eine Frau daher. Wohnt sie hier? „Ja“, sagt Ruth Tabois, „ich bin hier groß geworden. Wir wohnen in einem Haus von 1622.“ Aber sie ist in Eile. „Ich muss zum Bus.“ Und sie entschwindet ins Tal und rauf Richtung Wittener Straße. Wer in Bracken lebt, muss gut zu Fuß sein. Oder Auto oder Rad nutzen können.

1622, das Haus war schon alt, als 1884 der erste Zug auf der Strecke zwischen dem Wuppertal und Hattingen fuhr. Da lebten gerade sechs Familien in Bracken. Sie betrieben Landwirtschaft. Mit der Bahn siedelten sich weitere Menschen an. Bandweber und Riemendreher waren das, die für die Barmer Industrie schafften. Anbauten mit Sheddächern entstanden. „Das ist ein Bandweberhaus“, sagt ein älterer Herr, der Laub harkt auf der Straße, die sich zum Bracken hinaufzieht. Dem Höhenzug, der Bracken den Namen gegeben hat. Übrigens auch Nächstebreck – „nächst dem Bracken“. „Meine Großeltern haben als Bandweber gearbeitet“, sagt der Mann. Gut könne man in Bracken leben. Stören würde ihn nur der Verkehr. Verkehr? „Ja“, sagt er. „Das ist eine Abkürzung hier. Die kommen da von Sprockhövel und kürzen die Wittener Straße ab.“

Rund 120 Menschen wohnen in Bracken. Fachwerk und Schiefer prägen das Bild. Ein Schieferhaus trägt ganzflächig eine Solaranlage auf dem Dach. Man geht an alten Weißdornhecken entlang. Die vielen Apfelbäume fallen auf, sie tragen lauter verschiedene Sorten.

Und dann ist da noch der Friedhof Bracken. Er liegt am Hang, mit Blick auf das Bachtal. Doris und Gerhard Schmitz kümmern sich gerade um die Gräber der Familie. Seine Eltern und Großeltern stammen aus Bracken. Verwandtschaft lebt noch hier. Die Schmitz, die den Verein Interessenten Dorfgemeinschaft Bracken mitbegründet haben? Ja, genau die. Gerhard Schmitz nickt. Viele Dorffeste sind auf Initiative des Vereins gefeiert worden. Um die Nachbarschaft zu beleben, wieder mehr ins Gespräch miteinander zu kommen.

Auch Gerhard Schmitz kann erzählen. Gegenüber von Bracken wohnend, war das Bachtal willkommenes Spielgelände für die Jungs. „Wir sind durch die Bachröhre unter der Eisenbahntrasse gekrochen.“ Die Trasse – die war auch wichtig, als es gar kein Spiel mehr war. Bei Fliegeralarm. „Dann sind wir rüber zur Unterführung. Das war unser Bunker.“

Immer wieder die Bahn. Einst hatte es sogar eine Bahnhofsgaststätte gegeben. Aber das ist lange her. 1979 fuhr der letzte Personenzug, 1988 wurde der Güterverkehr eingestellt. Einen Laden gibt es in Bracken nicht. Und Landwirte wohnen auch nicht mehr hier. Landwirte aus der Umgebung bewirtschaften die Flächen. Aber da lagern doch Heuballen neben einem Haus? „Ja“, sagt Angela vom Hofe. „Und die Wiesen gegenüber gehören auch zu uns. Wir züchten Deutsche Reitponys.“ Wegen der Ponys ist die Familie hergezogen. 18 Jahre sei das jetzt her. Woher? „Aus Unterbarmen.“ Schon eigenartig: Da wohnt man auf dem Land und zugleich in der Stadt.

Zurück über die Straße Bracken, vorbei am Schild „Naturschutzgebiet“ - und Vorfahrt achten. Als ob man einen Kurzurlaub gemacht hätte.