Auch in der grünen Großstadt muss Bauen möglich sein

Wie grün ist Wuppertal? Geht es nach Statistiken, fällt die Bilanz positiv aus. Doch Grünflächen sind unregelmäßig verteilt.

Nach Angaben der Stadt Wuppertal sind 1318 Hektar (acht Prozent) Parkanlagen und Grünflächen, eine davon ist der Nordpark.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Wuppertal. Die Ratsfraktionen von SPD und CDU wollen in Wuppertal einen Bauboom auslösen. In einem Antrag fordern sie die Verwaltung auf, 110 Hektar Land für den Haus- und Wohnbebauung bereitzustellen. Befürworter dieses Planes argumentieren, dass sich die Stadt diesen Entwicklungsschritt gestatten muss, um den Immobilienmarkt zu beleben und die Stadt auch für Familien aus dem Umland attraktiver zu machen. Schließlich sei mehr als die Hälfte der Fläche Wuppertals unbebaut. Gegner des Plans sehen darin einen unverantwortlichen Flächenfraß. Sie fürchten, dass Wuppertal seinen Nimbus als grünste Großstadt verlieren könnte und ökologisch wertvolle Flächen geopfert werden.

Doch wie grün ist Wuppertal eigentlich? Kann es sich die Stadt überhaupt leisten, 110 Hektar Grünland zu verlieren?

Bei der Beantwortung der Frage ist es hilfreich, sich der Größenordnung der möglichen Veränderungen bewusst zu werden. 110 Hektar entsprechen umgerechnet etwa 220 Fußballfelder. Fünf Hektar würden für eine Forensik auf der Kleinen Höhe benötigt. Und noch ein Vergleich zeigt die Größenordnung auf: Der Staatsforst Burgholz weist eine Fläche von 250 Hektar auf. 130 verschiedene und fremdländische Baumarten sind dort angepflanzt worden. Angesichts des Klimawandels ist es von großem Wert zu beobachten, wie dort jede einzelne Baumart auf klimatische Veränderungen reagiert.

Der Wald macht ohnehin den größten Anteil grüner Flächen auf Wuppertaler Stadtgebiet aus. 4858 Hektar, also 29 Prozent des Stadtgebietes, sind Wald- und Freiflächen. Nach Angaben der Stadt sind 1318 Hektar (acht Prozent) Parkanlagen und Grünflächen. Die bekanntesten sind die Barmer Anlagen, Friedrichsberg, Friedenshöhe, Hardt, Mirker Hain, Nordpark, Nützenberg, Ronsdorfer Anlagen und der Vorwerk-Park. Außerdem gibt es Wildgehege am Ehrenberg und im Nordpark.

Große Tradition hat im Tal und auf seinen Höhen die Bewirtschaftung privater kleiner Parzellen. Nach Angaben der Stadt gibt es rund 8000 Kleingärten auf einer Fläche von insgesamt 380 Hektar. Als Grünflächen fließen auch die 46 Friedhöfe mit 160 Hektar in die Statistik ein. 3500 Hektar (das entspricht 21 Prozent des Stadtgebiets) werden landwirtschaftlich genutzt.

Wuppertal ist eine grüne Stadt — das wird auch beim Blick auf Luftaufnahmen deutlich. Aufgrund seiner Lage im Tal der Wupper ist das Grün jedoch sehr unterschiedlich verteilt. Entlang der dicht besiedelten Talsohle und in den Fußgängerzonen wird Wuppertal nur sehr bedingt seinem Ruf als grüne Großstadt gerecht. Doch praktisch mit jedem Höhenmeter nimmt Wuppertals Grün zu.

Wer diese Statistik des grünen Wuppertals vor Augen hat, der wird erkennen, dass die Ausweisung von 110 Hektar für den Haus- und Wohnungsbau als Bauland das Stadtbild verändern würde. Es hängt aber im Wesentlichen von der Umsetzung ab, ob positiv oder negativ für Wuppertal.

Bei der Auswahl der Flächen muss behutsam vorgegangen werden. Wuppertal darf nicht zum Eldorado für Immobilienfirmen und Projektentwickler verkommen, die die Stadt mit Häusern nach dem Baukastenprinzip überziehen. Auch wenn Wuppertal seinen Umweltdezernenten Harald Bayer (Grüne) vor ein paar Jahren aus Spargründen abgeschafft hat, braucht die Natur Anwälte, die mithelfen, die verhindern, dass Raubbau betreiben wird. Bevor gebaut wird, muss zunächst einmal sorgfältig sondiert und geprüft werden, wo die geeigneten Standorte sind. Es wird um viele einzelne Parzellen gehen und nicht um eine einzige Riesenfläche, die an einem Stück bebaut wird.

Wuppertal hat einen hohen Anteil an Grünflächen, aber das ist kein Grund damit leichtfertig umzugehen. Wenn gute Lösungen und Kompromisse bei der Ausweisung von 110 Hektar Bauland gefunden werden können — das wird ein Prozess von Jahren sein — dann eröffnet das Zukunftsperspektiven für die Stadt, eine noch für mehr Menschen lebenswerte grüne Großstadt zu sein.