Wuppertal Ausstehenden Zahlungen: Berufsbetreuer fürchten um ihre Existenzen
Das Amtsgericht kommt mit den Zahlungen nicht nach. Die Betreuer gehen jetzt dagegen vor.
Wuppertal. Für die Wuppertaler Berufsbetreuer sieht es nicht gut aus. Knapp 60 Berufsbetreuer gibt es in Wuppertal. Und viele von ihnen klagen über das Amtsgericht, über die Geschwindigkeit, mit der Anträge und Rechnungen bearbeitet werden. Die Betreuer berichten von ausstehenden Zahlungen im fünfstelligen Bereich. Für sie nimmt das existenzgefährdende Ausmaße an, sagt Michaele Reifenberger, Sprecherin der Betreuer.
Zwölf der etwa 60 Betreuer haben sich mit der WZ getroffen, um ihrem Anliegen Druck zu verleihen. Das ist ein Fünftel der Betreuer in der Stadt. Sie sind verärgert. Die WZ hatte am 9. Mai von einem Fall einer ehrenamtlichen Betreuerin berichtet, die lange auf ihre Betreuungspauschale hat warten müssen. Das Gericht sagte damals, „Berufsbetreuer gehen vor“ und begründete damit die späte Zahlung der Gelder an die Ehrenamtler.
Dabei machen die Berufsbetreuer genau dieselben Erfahrungen. Michaele Reifenberger sagt, die Aussage habe sie sehr verwundert. Sie selbst habe Außenstände, die noch aus dem Jahr 2015 stammen. Michael Hoffmann, einer der zwölf Betreuer, die mit uns im Gespräch waren, sagt, er warte auf insgesamt 22 000 Euro.
Das sei kein Einzelfall, versichern andere. Das sind große Summen, wenn man bedenkt, dass den Betreuern maximal 44 Euro pro Stunde bezahlt werden und sie pro Betreutem zwischen zwei und 8,5 Stunden im Monat aufwenden dürfen. Für die Betroffenen kann es schwierig werden durch die monatelangen Verzögerungen bei den Auszahlungen.
Michael Fitzau erzählt, dass er Geld nicht in die Altersvorsorge stecken könne. „Das liegt auf dem Tagesgeldkonto, damit ich über die Runden komme.“ Michaele Reifenberger sagt, dass sie teilweise gar kein Geld aus dem laufenden Monat für sich zurücklegen könne. Sie habe eine Teilzeit- und eine Vollzeit-Angestellte. Um die bezahlen zu können, verzichte sie selbst auf ihr Gehalt, wenn das Gericht nicht zahle.
Aber es geht den Betreuern nicht nur um ihre eigenen Belange und um wirtschaftliche Aspekte. Der Verzug bei den Anträgen betrifft etwa auch solche auf die Kündigung einer Wohnung. Wenn ein nicht geschäftsfähiger Betreuter in ein Heim muss, muss das Gericht den Antrag auf Kündigung erst bestätigen. Gleiches gilt für die Einweisung in eine geschlossene Klinik. Oder einfach bei einem Betreuerwechsel.
Teils dauert es aber Wochen, bis die Beschlüsse des Gerichts es zu den Betreuern schaffen. So leiden auch die Betreuten unter den Verzögerungen. Denn sie zahlen dann die Miete für eine Wohnung, die sie schon nicht mehr bewohnen - falls sie das können. Sonst zahlt das Sozialamt. Oder sie können nichts ins Heim, auch wenn sie müssten.
Die Betreuer sehen ein grundsätzliches Problem bei Gericht: eine personelle Unterversorgung. Die Mitarbeiter seien bemüht. Aber es seien eben zu wenige. Andere Gerichte seien besser aufgestellt und bearbeiteten die Fälle schneller. „Das sichert mein Einkommen“, sagt Reifenberger, die auf Fälle im Umland betreut. Das Amtsgericht weiß um die Zustände in der Betreuungsabteilung und versichert, sich darum zu kümmern.
In einem Gespräch mit der WZ sagt der Direktor, Stefan Spätgens, dass er optimistisch sei, dass die Rückstände in den kommenden drei Monaten abgearbeitet seien. Die Außenstände seien vor allem durch die Personalsituation aufgekommen. 2016 habe es einen Krankenstand von durchschnittlich 33 Prozent gegeben, so Spätgens. Und das bei acht Mitarbeitern in dem Bereich. Dazu habe es Umstellungen in der Software gegeben und damit verbunden Schulungen, die Arbeitszeit in Anspruch genommen und Prozesse verlangsamt hätten.
Dennoch seien allein dieses Jahr schon 1,7 Millionen Euro aus 3640 Rechnungen ausgezahlt worden. „Dass hier nichts passiert, stimmt nicht“, sagt Spätgens. Zumal die Auszahlung von Rechnungen nur ein Bruchteil der Arbeit sei.
Dennoch betont das Amtsgericht, dass es Verständnis für die Betreuer habe. Spätgens hat Reifenberger und andere zum Gespräch eingeladen und dazu aufgefordert, die offenen Rechnungen aufzulisten, damit sie beglichen werden können. Zusätzlich werden zwei neue Kräfte aus anderen Bereichen in die Betreuungsabteilung versetzt.
Und da zeigt sich das generelle Problem: Neue Mitarbeiter von außen können nicht angeworben werden. Denn die werden über einen Verteilungsschlüssel, den die Landesregierung bestimmt, zugeteilt, erklärt Spätgens. „Wir versuchen, durch die Versetzung keine andere Baustellen aufzumachen“, sagt er. Auszuschließen ist das aber nicht. Erst einmal bleibt abzuwarten, ob das Gericht bei den Betreuungsfällen ins Gleichgewicht kommt — die Betreuer bereiten unterdessen eine Beschwerde beim Justizministerium vor.