Neue Podcast-Serie “Ausgezeichnetes Wuppertal“ Auszeichnung für Wuppertaler Mathematikerin: Wie ein Navi die Route berechnet

Wuppertal · Die Mathematikerin Julia Sudhoff Santos hat sich in ihrer Doktorarbeit mit Optimierung beschäftigt – dafür wurde sie nun ausgezeichnet.

Die Mathematikerin Julia Sudhoff Santos sprach mit der WZ darüber, wie Mathematik in der modernen Navigation Anwendung findet.

Foto: Hermine Fiedler

Ein Navi berechnet die schnellste Route von A nach B. Doch was ist, wenn ich nicht nur die schnellste Route, sondern auch die preiswerteste Route haben möchte – beispielsweise ohne Mautgebühr? Mit dieser und weiteren, ähnlichen Fragen hat sich Mathematikerin Julia Sudhoff Santos in ihrer Doktorarbeit an der Bergischen Universität beschäftigt. Die 30-Jährige wird dafür nun von der Fabu, dem Verein der Freunde und Alumni der Bergischen Universität mit dem Promotionspreis ausgezeichnet. Die WZ stellt die Preisträger in einer Serie nun vor.

Frauen in der Mathematik scheinen auf den ersten Blick oft (noch) ungewöhnlich. Julia Sudhoff Santos hat das Fach aber in der Schule schon sehr viel Spaß gemacht. „Ich habe nach der Schule dann erstmal eine Bankausbildung gemacht, aber danach wollte ich noch studieren“, erzählt sie im WZ-Podcast (siehe Kasten). Für sie stand fest: Es geht in den Mint-Bereich, also in die Naturwissenschaften oder die Mathematik.  „Mich faszinieren die Logik und die Berechenbarkeit, die Zahlen mit sich bringen“, erklärt sie. Schon als Kind mochte sie Zahlen- und Logikrätsel wie Sudokus. „Sprachen liegen mir nicht so, die Logik dahinter erschließt sich mir nicht. Das ist ein Buch mit sieben Siegeln. Für andere ist es die Mathematik.“

So klingt der Titel ihrer Doktorarbeit zunächst einmal etwas sperrig: „Ordinale Kosten in der multi-kriteriellen kombinatorischen Optimierung.“ Doch Julia Sudhoff Santos kann recht einfach erklären, worum es dabei eigentlich geht. Sie zerlegt den Titel in Einzelteile: „Fangen wir mit Optimierung an. Das ist etwas, was jeder regelmäßig nutzt. Wenn wir uns von einem Navi den kürzesten Weg berechnen lassen, ist das ein Optimierungsproblem, das im Hintergrund gelöst wird“, erklärt sie.

Der Nutzer gibt Rahmenbedingungen vor: Er befindet sich an Punkt A und will zu Punkt B. Das Navi kennt das Straßennetz und weiß, wo der Nutzer langfahren kann. Dann wird die kürzeste Route gesucht. Das sei ein Beispiel für ein Optimierungsproblem.

„Multi-kriterielle Optimierung bedeutet, dass man manchmal mehr als ein Ziel hat. In unserem Beispiel wollen wir den kürzesten Weg berechnen, aber vielleicht wollen wir auch den preiswertesten Weg haben, wenn wir außerhalb Deutschlands auf Mautstraßen fahren“, nennt Julia Sudhoff Santos eine Möglichkeit. Somit gibt es zwei Kriterien, die sich nicht beide erfüllen lassen, „weil der schnellste Weg wahrscheinlich über viele Hauptstraßen und damit Mautstraßen führen wird. Der wird dadurch teurer“, sagt Sudhoff Santos. Oder umgekehrt: Will man ohne Mautstraßen ans Ziel kommen, müsse man mitunter große Umwege fahren. „Aus mathematischer Sicht sind das zwei Lösungen, die man nicht vergleichen kann. Die möchte ich aber aus mathematischer Sicht berechnen“, sagt sie.

Auf der Suche nach
dem sichersten Weg

Die Mathematik berechne dafür erstmal nur die Lösungen, die gut sind. Welche Strecke das Navi dann wählt, sei eine andere Frage. Hinter den Berechnungen stecken mathematische Verfahren. Um zu verstehen, was Julia Sudhoff Santos in ihrer Doktorarbeit gemacht hat, muss sie noch den ersten Teil des Titels erklären, die ordinalen Kosten. „Ordinale Kosten sind etwas, das man am besten mit dem Wort ‚geordnete Kategorien‘ übersetzen kann. Das wird dann verwendet, wenn man etwas nicht in Zahlen ausdrücken kann“, sagt Sudhoff Santos und nennt ein Beispiel: Bei den Tierhaltungsstufen auf der Fleischverpackung stünden zwar Zahlen. Der Käufer wisse aber nicht, ob sie signalisieren, dass das Tier aus Kategorie 1 doppelt so gut gehalten wurde wie ein Tier aus Kategorie 2.  „Die Zahlen sind nicht präzise“, erklärt die Mathematikerin. Ein anderes Beispiel sei der Nutriscore, ein System zur Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln, das nur mit den Buchstaben A bis E arbeite. „Hier weiß man nicht, um wie viel besser eine Kategorie ist als die andere.“

Um das auf das Wegebeispiel zurückzubringen, könne man beispielsweise die Sicherheit von Wegen für Radfahrer betrachten. „Es gibt Straßen, die sicherer sind, wie in Wuppertal die Nordbahntrasse, und solche, die unsicherer sind, wie eine Hauptstraße. Man kann sie nach sicher, neutral und unsicher einordnen.“  Als Mathematikerin suche sie nach dem sichersten Weg.

Auch da erhält sie verschiedene Lösungen. „Ich bekomme nicht die eine sicherste Route, weil die kürzeste Route meist nicht nur über die sicherste Straße führt. Ich muss mir auch die Frage stellen, ob ich bereit bin, einen Umweg zu fahren“, so Julia Sudhoff Santos.

In ihrer Doktorarbeit hat sie untersucht, wie die Optimierung mit geordneten Kategorien mit der multi-kriteriellen Optimierung zusammenhängt. Das kann im Alltag direkt Anwendung finden: „Wir überlegen, ein Projekt zu starten, in dem wir sichere Schulwege für Kinder berechnen. Dafür brauchen wir Praxispartner, weil wir als Mathematiker diese Einordnung, welcher Weg sicher ist und welcher nicht, nicht vornehmen können.“ Das könnten nur Experten, die sich beispielsweise mit Sicherheitstechnik auskennen.

Meist sitzt Julia Sudhoff Santos bei ihren Berechnungen mit Stift und Papier vor dem Schreibtisch. „Vieles passiert nur im Kopf“, sagt sie. „Die besten Ideen, wie ich einen Weg berechnen könnte, kamen mir nicht am Schreibtisch, sondern wenn ich spazieren war.“

Etwas mehr als drei Jahre lang hat sie sich mit ihrer Arbeit befasst. Über die Auszeichnung der Fabu freut sie sich nun sehr. „Ich freue mich, dass ich die Möglichkeit habe, über Mathematik zu sprechen und Licht ins Dunkel zu bringen, wie Forschung in der Mathematik aussehen kann.“ Zu promovieren, hatte Julia Sudhoff Santos zunächst gar nicht geplant. „Meine Bachelorarbeit habe ich damals in Verbindung mit der Firma Vaillant geschrieben. Mein Chef hatte mich damals schon angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, zu promovieren. Das war für mich damals meilenweit weg“, sagt sie. Der Gedanke blieb aber im Hinterkopf.  Sie entschied sich dann für eine Promotion an der Universität, nicht in einer Firma, „weil ich unglaublich gerne lehre und ich Erfahrung in der Lehre an der Uni sammeln wollte“, so Sudhoff Santos.

An der Uni arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Optimierung der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften und hat bereits Vorlesungen im Fach Optimierung gehalten.