„Bei uns bekommen die Flüchtlinge eine Stimme“

Heute wird „FacetTen“ wiederaufgeführt, das erste Bühnenstück der Projektreihe“ Close Up“. Charlotte Arndt und Dilara Baskinci sprechen als künstlerische Leiterinnen über die Besonderheiten.

Frau Arndt, beschreiben Sie bitte einmal das Projekt „Close Up“.

Foto: Andre Schollick/Arndt/Baskinci

Charlotte Arndt: Close Up ist Englisch und bedeutet Nahaufnahme: Mit Theater-, Musik- und Filmkünstlern schaffen Frauen zwischen 13 und 20 Jahren in wöchentlichen Treffen ein Kunstwerk zu einem gesellschaftsrelevanten Thema. Darauf und auf sich selbst werfen sie einen genauen Blick. Wir proben professionelles Schauspiel, diskutieren, schreiben und improvisieren. So entstehen die dramatischen Textvorlagen. In zusätzlichen Wochenend-Workshops kreieren wir mit lokalen Medien- und Musikpädagogen Filme, Songs und Begleitmusik für das jeweilige Theaterstück.

Wie entstand das Projekt Close Up?

Dilara Baskinci: 2014 reiften wir mit Franz Schmid, Leiter im Haus der Jugend und später von Close Up, seine Idee aus, ein Projekt zur Interkulturalität umzusetzen. Als damals wie heute brisantes Thema drängte sich der Islam auf. Medien zeichneten meist ein negatives Bild, stellten die muslimische Frau als unterdrückt und nicht emanzipiert dar. Muslime kamen kaum zu Wort. So setzen wir Close Up ausschließlich mit Musliminnen um, einer Dreifach-Randgruppe: als Musliminnen, zumeist Migrantinnen und, in der muslimischen Gemeinde, als Frauen.

„FacetTen“, Ihr erstes Theaterstück, wird heute zum zweiten Mal wiederaufgeführt. Was erwartet den Zuschauer?

Charlotte Baskinci: Eine Collage aus abstrakten Szenen zu Gefühlen, Ängsten, Wünschen und Visionen der zehn Teilnehmerinnen. Thema: „Muslimisch sein in Deutschland“. Musikalisch begleiten das Ensemble Mitglieder des Royal Street Orchestra. Die für FacetTen verfassten Songs schenken wir dem Publikum auf CD.

Was motiviert Sie bei Ihrer Arbeit?

Arndt: Zum einen die gesellschaftliche Relevanz: Unsere Themen berühren das Zusammentreffen von Menschen. Zum anderen sind wir als ausgebildete Bühnenkünstler besonders anspruchsvoll, begegnen den Teilnehmerinnen auf Augenhöhe. Das erzeugt Energie und Selbstbewusstsein bei ihnen, und gerade die Flüchtlinge haben ihre Sprachkenntnisse enorm verbessert. In der Öffentlichkeit besteht ein vorgefasstes Bild über sie - bei uns bekommen sie eine Stimme.

Was sind Eure Pläne?

Baskinci: Gerade entsteht im Rahmen von „Close Up 3.0: Grenzenlos“ ein neues Stück, das voraussichtlich im April zu sehen ist. Und wir auf hoffen auf „Close Up 4.0“. Darüber hinaus möchten wir Wuppertals Bühnenlandschaft verändern: in ein Theater von Bürgern für Bürgern. Das reiche Potential möchten wir anzapfen, das Prinzip „Kunst-nur-für-die-Elite“ aufbrechen. Unserem Theater fehlt ein dezentralisierter Kulturschauplatz. Wir möchten eine neue, für alle zugängliche Seite aufschlagen. Die konzeptionellen Anfänge sind gemacht.