Zukunftspreis für Lambert T. Koch „Die Bergische Uni ist in den Herzen angekommen“

Wuppertal · Der ehemalige Rektor der Uni Wuppertal Lambert T. Koch hat den Bergischen Zukunftspreis für sein Lebenswerk verliehen bekommen. Bei seiner Rede fordert er einen gesellschaftlichen Neubeginn. Seine Expertise wird weiter gefragt sein.

Lambert T. Koch (l., mit Andreas Otto von der Volksbank im Bergischen Land) wurde für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

Foto: Christian Beier

Mit dem Angriffskrieg Russlands ist die Welt aus den Fugen geraten. Noch habe das nicht jeder verstanden, sagt Prof. Dr. Lambert Tobias Koch. Doch erfordere die Zäsur nichts weniger als einen gesellschaftlichen Neubeginn. „Wie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges müssen wir zusammenrücken und uns neu erfinden“, fordert der Wirtschaftswissenschaftler. Das gelte für Europa wie für Deutschland – und das gelte für das Bergische Land.

Seit langem kämpft er dafür und oft verzweifelte er daran. Trotz aller Bemühungen, das Städtedreieck enger zusammenzuführen, um die Schlagkraft zu vervielfachen, musste auch er die Grenzen erkenne. Obwohl er ein kluges Leitbild für Remscheid, Solingen und Wuppertal entwickelte und obwohl er in allen Rathäusern höchstes Ansehen genießt, bleibt die Region bis heute hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Der Bergische Zukunftspreis soll helfen, das zu ändern. Deshalb ist es nur konsequent, dass der „Preis für das Lebenswerk“ an den mittlerweile ehemaligen Rektor der Bergischen Universität ging. „Allerdings war ich über die Nachricht auch ein wenig erschrocken“, erklärte der 57-Jährige mit einem Schmunzeln.

Im Alter von erst 34 Jahren an
die Bergische Universität berufen

Austausch beim Bergischen Zukunftspreis
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Foto: Christian Beier

„Ich hoffe, dass Ihr Lebenswerk noch lange nicht zu Ende ist“, versicherte denn auch Andreas Otto, Vorstandsvorsitzender der Volksbank im Bergischen Land, in seiner Laudatio. Was Koch für das Bergische Land bewirkt habe, verdiene die Ehrung jedoch bereits heute. „In den 14 Jahren, die Sie als Rektor an der Spitze der Uni standen, hat sich die Bergische Universität verändert und enorm entwickelt: Sie ist gewachsen, internationaler geworden, sie steht für Spitzenforschung und exzellente Lehrkräfte. Sie besitzt Strahlkraft in ganz Deutschland und weit darüber hinaus und ist ein Motor für die Wirtschaft in unserer Region.“

Lambert T. Koch wuchs in Würzburg als Sohn eines katholischen Theologieprofessors auf und entschied sich nach dem Abitur für die Wirtschaftswissenschaften. 1999 wurde er im Alter von erst 34 Jahren an die Bergische Universität berufen und übernahm den Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaft, insbesondere Unternehmertum und Wirtschaftsentwicklung. Als Dekan des Fachbereichs verantwortete er die Profilierung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zur Schumper School of Business and Economics. 2008 wurde er zum Rektor gewählt. Danach ehrte ihn der Deutsche Hochschulverband viermal als Rektor des Jahres und anschließend als Rektor des Jahrzehnts.

Das wissenschaftliche Interesse des Wirtschaftsprofessors gilt vor allem den Bereichen Gründungsförderung, Innovations- und Technologiepolitik. Sein Rat war gefragt im In- und Ausland. Von Herbst 2011 bis Herbst 2012 wirkte er auf Einladung des Bundeskanzleramtes als Experte beim „Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin“ mit. Zahlreiche Gastprofessuren und Mitgliedschaften runden seine Arbeit ab.

Wichtig war dem „bodenständigen Überflieger“, wie ein Stadtmagazin den Rektor einst nannte, aber immer auch die Region, in der seine Professoren forschten und lehrten und in der seine Studierenden daheim sind. Mit den Unternehmen in Remscheid, Solingen und Wuppertal suchte er engen Kontakt, insbesondere mit den vielen „Hidden Champions“, also den mittelständischen Weltmarktführern. „Wissenstransfer ist hier nicht einseitig“, stellte Koch häufig fest. Die Firmen profitieren von der Forschung vor Ort, anderseits sind die Wissenschaftler auf die Unternehmen angewiesen.

Beide Seiten machten gute Erfahrungen miteinander und die Bergische Universität gewann an Bedeutung. Bei Kochs Amtseinführung zählte sie 13 000 Studierende, heute sind es 23 000. Die für Forschungszwecke von öffentlichen und privaten Geldgebern zur Verfügung gestellten Drittmittel haben sich in den 14 Jahren mehr als verdreifacht: von 15 auf 50 Millionen Euro. Auch die Zahl der Studiengänge ist mit derzeit 109 rasant gestiegen.

Mit Hilfe der Uni sieht Koch das Bergische deshalb heute erneut als Keimzelle einer neuen Entwicklung. Wie zu Beginn der ersten industriellen Revolution, als an Wupper und Morsbach die Dampfmaschine die Wasserräder als Antriebsquelle ersetzte und aus Kotten Fabriken wurden. Im Bergischen hatte die Industrialisierung ihren Ursprung. Heute könne die Region erneut Innovationsland sein, schätzt Koch.

Zum Teil ist sie es schon. „Gemeinsame Projekte mit der Universität bringen viele Unternehmen in ihrer eigenen Entwicklung voran. Und von gut ausgebildeten Fachkräften profitieren alle Branchen“, hielt Laudator Andreas Otto fest. „Doch mindestens genauso bedeutend ist, dass die Bergische Uni in den Herzen angekommen ist. Wir Bergischen sind stolz auf unsere Hochschule.“

Das zeigt sich in Remscheid auch in der gemeinsamen Vortragsreihe von Remscheider General-Anzeiger und Bergischer Uni. Seit mehr als 30 Jahren kommen auf Einladung der Zeitung die Wissenschaftler vom Wuppertaler Grifflenberg nach Lennep. Universität und Tageszeitung schlagen damit eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis. Das sei heute umso wichtiger, sagt Lambert T. Koch: „Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie ungeheuer wichtig Wissenschaft gerade auch für die Lösung ganz konkreter drängender Herausforderungen des menschlichen Alltags ist. Zumal wir zeitgleich mit ansehen müssen, wie aus kleinen, aber lautstarken Gruppierungen heraus Wissenschaft angefeindet wird und ihre bestens belegten Befunde durch sogenannte alternative Fakten korrigiert werden sollen.“

Kochs wissenschaftliche Expertise wird weiter gefragt sein – international und im Bergischen Land. Nach 14 erfolgreichen Jahren quittierte er dennoch den Dienst an der Spitze der Bergischen Universität. „Von Jugend an habe ich Persönlichkeiten Respekt gezollt, die ein öffentliches Amt aus freien Stücken zurückgegeben haben, wenn sie ihr Haus ordentlich bestellt hatten“, sagte er einst in einem Interview: „Ich habe mich entschieden, dies ebenso zu halten.“

Der Wissenschaftler will sich jetzt wieder seinen Aufgaben als Wirtschaftsprofessor widmen und zu Forschungszwecken vorübergehend in die USA gehen. Dem Bergischen Land und seinen Menschen hält Lambert T. Koch dennoch die Treue. Nach 23 Jahren, die er mit seiner Familie in Wuppertal lebt, ist er längst ein echter Bergischer. Auch deshalb richtete Andreas Otto zur Verleihung des Zukunftspreises eine Bitte an den ehemaligen Uni-Rektor: Er möge bitte „immer mal wieder die beratende Stimme zum Zusammenwachsen unserer Region erheben. Das tat und tut uns gut.“