Meinung Billig ist nicht preiswert

Mit seinen Großprojekten hat Wuppertal in der jüngeren Vergangenheit wirklich nicht viel Glück. Der Döppersberg beispielsweise kündet auf den ersten Blick, zumindest von oben aus dem Bahnhof, von der großen Zukunft einer großartigen Stadt.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Auf den zweiten Blick wird offenbar, dass es in wichtigen Teilen der Geschichte weder vor noch zurückgeht. Der architektonisch ansprechende Bau für den irischen Textilsupermarkt Primark steht immer noch leer. Dieses Schicksal teilt er mit einem Gebäude vis à vis, das in seiner Art weit und breit Seinesgleichen sucht, aber nicht findet. Dass es gleichzeitig keine zukunftsträchtige Nutzung findet, liegt am Eigentümer, der sich mit jedem Tag mehr als Ankündigungsweltmeister entpuppt. Das neueste Kapitel ist ein Din-A-4-Blatt am rückwärtigen Teil des Komplexes zur Südstraße hin. Es deutet in verhältnismäßig großen Lettern darauf hin, dass sich dort die Einfahrt zur „Baustelle FOC“ befindet. Eine kleine Baustelle — nach all den Jahren.

Das Trauerspiel komplettiert die seltsame Geschichte des Süchtigentreffs Café Cosa, der kaum einen Steinwurf von der Bundesbahndirektion und vom Primark-Gebäude entfernt entstehen soll. Die Fragezeichen über dem Projekt werden immer größer. Aber Antworten gibt es nicht. Nun scheint es, als hätten sich die Verantwortlichen für den zweitbesten Entwurf entschieden, weil der der beste Entwurf zu schön für den Zweck sei. Das ist bemerkenswert. Dass dem Sieger eine Entschädigung in dem Vernehmen nach sechsstelliger Höhe bezahlt werden muss, auch. Aber Wuppertal hat es ja. Denn das Lieblingskind von Sozialdezernent Stefan Kühn ist gleichzeitig das sozialpolitische Bekenntnis von Oberbürgermeister Andreas Mucke (beide SPD). Nur sinnvoll ist es an dieser Stelle nicht.

Den Schwebezustand dokumentieren die potenziellen Gäste des Café Cosa jeden Tag im neuen, modernen Zentrum der Stadt, das dadurch allerdings auf wuppertalerfahrene Gäste den Eindruck macht, dass sich gegenüber dem Zustand von vor fünf Jahren eigentlich nichts geändert hat.

Da ist es wenig beruhigend, dass die Signale aus dem Rathaus mehr nach „Augen zu und durch“ klingen als nach „neu darüber nachdenken“. Wenn es für die optisch ambitionierte A-Lösung nicht reicht, dann kommt eben die B-Lösung. Egal. Ist doch nur das neue Zentrum Wuppertals.

Das passt bedrückend zum Umgang Wuppertals mit sich selbst. Es passt zu einem Rathaus, in dem schon immer „billig“ mit „preiswert“ gleichgesetzt wird. Billig kostet einfach weniger, ist aber nicht unbedingt preiswerter, meistens ist das Gegenteil der Fall.

Wer das Ergebnis von leidenschaftsloser Stadtplanung dieser Art sehen will, ist im Briller Viertel bestens aufgehoben. Dort verunzieren Neubauten von der Stange zunehmend das eigentlich atemberaubend schöne Bild ambitioniert geplanter und hochwertig errichteter Häuser. Den Stadtverwaltern ist es gleichgültig, die Stadtpolitiker schauen so lange zu, bis nichts mehr zu ändern ist.

Mit dieser Haltung ist es auch kein Problem, ins für Hunderte von Millionen Euro sanierte Wohnzimmer Wuppertals irgendetwas einzubauen, das dann schon seiner Gäste wegen sicher die Blicke auf sich ziehen wird.

Wer vom Wupperpark Ost jemals erhoffte, dass er sich wenigstens architektonisch an die Qualität von Hauptbahnhof, Bundesbahndirektion, Primark-Gebäude und Köbo-Haus orientiert, der darf jetzt getrost das Schlimmste befürchten. Die einstigen Kämpfer für den Döppersberg werden das neue Zentrum schon noch verhunzen. Die nikotingelbe Mauer und die überdimensionierte Geschäftsbrücke mit ihrer lustlosen Fassade sind anscheinend erst der Anfang.