„Das Handwerk braucht Topleute“

Arnd Krüger im Gespräch mit der WZ über die Ausbildung und Nachwuchsprobleme.

Foto: Kreishandwerkerschaft

Viele Handwerksbetriebe suchen dringend Auszubildende. Doch in vielen Fällen passen die Wünsche der Ausbildungsbetriebe und der Schulabgänger nicht zusammen. Die WZ sprach im Hinblick auf das kommende Ausbildungsjahr mit Kreishandwerksmeister Arnd Krüger.

Herr Krüger, wie haben Sie damals Ihre Ausbildung erlebt, mit welchen Gefühlen sind Sie in die Ausbildung gegangen?

Krüger: Meine Eltern hatten die Glaserei 1973 übernommen. Ich bin 1981 in den Betrieb gekommen. Ich habe nach der Mittleren Reife das Abitur nicht mehr gemacht, weil es sich angeboten hat, in den elterlichen Betrieb zu gehen. Vom Gymnasium zur Berufsschule war es dann schon ein harter Weg, weil das Niveau schwächer war. Ich habe die Lehre dann verkürzt. Die Ausbildung bei meinem Vater war schon herausfordernd, das war knackig. Sie hat mich geprägt, aber das ist wichtig, damit man eine gute Einstellung zum Beruf findet.

Die aktuelle Generation hat viele Wahlmöglichkeiten. Fehlt den jungen Leuten die Entschlossenheit, sich für einen beruflichen Weg zu entscheiden?

Krüger: Sie haben in Ihrer Zeitung ja selbst geschrieben, dass junge Menschen die Sicherheit wählen und in den öffentlichen Dienst gehen. Bei mir verfestigt sich der Eindruck, dass die Menschen nur noch Fertigmenüs haben wollen und nicht mehr kochen wollen. Ich möchte so wenig tun wie möglich, so viel Geld verdienen wie möglich und so wenig Verantwortung haben wie möglich. Dieser Beruf muss erst einmal gebacken werden. Da scheinen der öffentliche Dienst oder große Unternehmen mit großen Strukturen der perfekte Arbeitgeber zu sein. Das Handwerk ist überwiegend klein und mittelgroß strukturiert. Da kann ich mich nicht hinter einer großen Struktur verstecken, sondern da ist jeder einzelne im Betrieb gefragt.

Der Punkt Sicherheit würde angesichts der vollen Auftragsbücher doch auch auf das Handwerk zutreffen?

Krüger: Viele Betriebe, auch mein Betrieb, suchen junge Leute, suchen Auszubildende und Mitarbeiter und finden sie nicht. Da muss man der Politik recht geben, die vor dem demografischen Wandel früh gewarnt hat. Allerdings hat die Politik nicht verhindert, dass jeder, der in die duale Ausbildung geht, in der öffentlichen Meinung als Bildungsverlierer gilt. Da müssen wir mit aller Macht gegenwirken und sagen, dass jeder nach seinen Neigungen und Fähigkeiten gefördert und gefordert werden muss.

Sicherheit heißt auch wirtschaftliche Sicherheit. Guter Verdienst bedeutet für viele Menschen Sicherheit. Kann man im Handwerk Karriere machen?

Krüger: Bei 25 bis 30 Prozent der Betriebe im Bergischen Land sind die Inhaber schon älter als 55 Jahre. 30 Prozent stehen mehr oder weniger zur Übergabe an. Was will ich denn mehr erreichen, wenn ich selbstbestimmt arbeiten möchte? Gerade vor dem Hintergrund der Entwicklungen von Künstlicher Intelligenz und Robotik wird das Handwerk auch in der Zukunft sichere Arbeitsplätze anbieten.

Wo sind die Schwerpunkte im Handwerk in Wuppertal? Wo sind die Lücken, wo die Chancen?

Krüger: Die Berufe, die am meisten frequentiert werden, sind im Elektro-Handwerk, im Sanitär-Handwerk und natürlich rund um das beliebte Automobil im KfZ-Handwerk. Obwohl dieser Zweig in Zukunft den größten Wandel erleben wird. Weniger gefragt ist zum Beispiel der Dachdeckerberuf, zunehmend klagen auch Maler über Nachwuchsprobleme. Einige Berufe haben bei Jugendlichen ein schlechtes Image, dabei werden Bäcker und Metzger wirklich gebraucht.

Es gibt offenbar eine große Diskrepanz zwischen den Anforderungen des Handwerks und der Leistungsfähigkeit vieler Schulabgänger. Die Agentur für Arbeit bietet finanzielle Hilfen an, um Auszubildenden eine zweite Chance zu geben. Was halten Sie von solchen Programmen?

Krüger: Das Handwerk ist schon seit langem die Berufswelt, in der auch zweite, dritte und vierte Chancen geboten werden. Wir gucken gar nicht mehr so sehr nach Zeugnissen, sondern schauen uns den Menchen an. Ist das einer oder ist es eine, den oder die wir wirklich gebrauchen können. Die Möglichkeiten der Nachbereitung und Weiterbildung sind bekannt und werden genutzt. Wir können aber nicht nur Leute ausbilden, die die zweite oder dritte Chance bekommen, sondern wir brauchen auch Topleute, die von Anfang an sagen, ich will mir etwas aufbauen und einmal den Betrieb übernehmen.

Wie sieht es mit der Qualität der Auszubildenden aus? Lässt die nach, weil es bei vielen auch Sprachprobleme gibt?

Krüger: Wir haben einen jungen Mann aus Guinea im Betrieb, der geduldet ist. Er bringt alles mit, aber die Sprache ist noch das Problem. Wir hoffen alle, dass er bleiben kann. Das Handwerk nimmt gerne und sehr oft junge Migranten auf und bildet sie aus.

Wie wird am Ende die Bilanz des Ausbildungsjahres ausfallen? Werden viele Stellen unbesetzt bleiben?

Krüger: Es wird sich aufgrund des Imageproblems wieder ungleich auf einzelne Berufsgruppen verteilen. In den weniger gefragten Berufen werden Stellen unbesetzt bleiben. Rund 30 Prozent werden die Ausbildung nicht beenden. Von den Menschen, die im Handwerk bleiben, wollen sich zu wenige weiterqualifizieren. Die meisten wollen sich auch nicht selbstständig machen. Dabei könnte das ein Ziel sein. Bis zum Unternehmer braucht man ungefähr zehn Jahre. Drei Jahre dauert die Lehre, bis Mitte 20 folgt der Meister. Ich brauche noch ein paar Jahre Berufserfahrung und muss mir Kenntnisse in Menschenführung aneignen. Es dauert also mindestens zehn Jahre, bis ich als selbstständiger Handwerker Dienstleistungen anbieten sowie und Arbeitsplätze erhalten und schaffen kann.