Ab Herbst Fontana Ausstellung in Wuppertal: Der Mann, der in den Keller ging, um den Mond zu imaginieren
Wuppertal · Das Von der Heydt-Museum widmet dem italienisch-argentinischen Künstler ab Herbst eine Ausstellung - Teil 3
Das Gespräch über Lucio Fontana findet in seinem Beisein statt. An einer Stellwand hängen schwarz-weiße Fotos aus einer anderen Zeit. Dort entstanden, wo die Wand heute steht. Im ehemaligen Studio des Künstlers am Corso Monforte 23. Im hinteren Trakt eines jener typischen Palazzi in Mailand, die zur Straße unscheinbar, viele Räume umfassen, die sich um einen Innenhof gruppieren und hinten von einem großzügigen, parkähnlichen Garten abgeschlossen werden. 1952 hatte sich der Künstler, nach seiner Rückkehr von Argentinien hier eingemietet, hier bis zu seinem Tod 1968 gearbeitet.
Wenig wurde verändert am mehrere Meter großen, leer geräumten Raum mit seinem bodentiefen, mit ornamentalem Gitter versehenen Fenster, das den Blick in den Garten lenkt. Dem Boden aus weiß gestrichenen Holzplanken, der Zwischenebene zur Hofseite, die über eine einfache Holzstiege erreicht werden kann. Der vor allem als Präsentationsbereich und Lager genutzte, gewölbeartige Keller bleibt unscheinbar, unter einer Bodenluke versteckt – nur eine zweite Zwischenebene wurde eingezogen, die den hohen Raum nicht kleiner erscheinen lässt. Die Fondazione ist nicht hier, ihre Räume sind an einem anderen Bereich des Palazzo, wo Präsidentin Silvia Ardemagni und ihre Vizepräsidentin Maria Villa und ihr Team arbeiten.
Die Stiftung wurde 1982 auf Initiative der Witwe Fontanas, Teresita Rasini Fontana, und 1984 durch den Präsidenten der Republik, Sandro Pertini, gegründet. Um die Werke des Künstlers zu archivieren, zu schützen und auszuwerten. Sie verfügt heute über einen Kern an Werken Skulpturen, Gemälden, Zeichnungen, Multiples, Grafiken und Künstlerbüchern, die Fontanas gesamtes Schaffen von den 1920er Jahren bis 1968 abdeckt und ein umfangreiches bibliografisches, dokumentarisches und fotografisches Archiv. Hinzu kommen Werke italienischer und internationaler Künstler des 20. Jahrhunderts, darunter Alberto Burri, Alexander Calder, Christo, Giuseppe Capogrossi, Enrico Castellani, Luciano Fabro, Yves Klein und Piero Manzoni.
Luca Massimo Barbero ist Kunsthistoriker, Kurator, Fotograf – und Experte für Lucio Fontana, er dient der Fondazione als Berater. Schreibt auch für den Katalog, den das Wuppertaler Museum zu seiner Ausstellung veröffentlichen wird. Wie der von ihm verehrte Künstler ist er ein vornehmer und zurückhaltender Signore, der durch Wissen überzeugen, nicht demonstrativ auftrumpfen will. Fontana habe hier, in einem intellektuellen Raum, in einfachen Verhältnissen gearbeitet, nicht in einem protzigen Showraum, der von seinem Ruhm künden sollte. Und damit im Gegensatz zu seiner tollen, enormen Kunst. „Man kann sich kaum vorstellen, dass so etwas in einem so einfachen, intimen Studio entstanden ist“, schwärmt er. Der Künstler sei ein Denker gewesen, der zwischen 1920 und 1968, also einer nicht allzu langen Zeitspanne, 1600 Werke und über 6000 Zeichnungen geschaffen habe, was ihm selbst nicht viel erscheint, seinem Gast aus Deutschland, Von der Heydt-Museumsdirektor Roland Mönig, aber schon.
Mit Anfang 60 sei Fontana ein Mann gewesen, dessen Leben langsam zu Ende ging, der zugleich junge Künstler anzog. 1965 stellte er den Zero-Künstlern sein Studio für eine Ausstellung zur Verfügung. Die Arbeit im Garten und Erdgeschoss, weniger im Keller, war anstrengend. Das bekannte Foto, das ihn mit einem Steinmeißel zeigt, den er konzertiert und entschlossen zum Lochen der Leinwand vor ihm einsetzt, spricht dafür. Viele Werkzeuge sind erhalten – vor allem die, die er für seine Keramikarbeiten nutzte. Pinsel, Ahlen, Buntstifte, ein etwa zehn Zentimeter kleiner Meißel. Wenig ist über den Schaffensprozess bekannt, verrät Signore Barbero. Die Fotos zeigen meist einen eleganten Herrn im Anzug, selten mal mit einer Schürze. Gestellte Fotos, auch das bei der Arbeit im Keller.
Fontana war ein Vorreiter des Minimalismus
Fontana sei immer offen, nie orthodox gewesen, bescheiden, einfach und gleichzeitig sehr bedeutsam. Ein Mann, der in den Keller gegangen sei, um den Mond zu imaginieren, ergänzt Mönig. Und die Mondlandung nicht mehr miterleben konnte. Eben ein Mann der Vorstellung, des Denkens, ergänzt Signore Barbero. Lenkt damit über zu Fontanas Arbeiten, die starke Ideen haben, die den Betrachter weiterbringen, insofern sei er ein Vorreiter des Minimalismus. Er sei in vielerlei Hinsicht ein Pionier gewesen, jede Arbeit bringe den Betrachter an einen Ort, den er nicht kenne.
Wichtig auch seine Kunst am Bau, Intervention in Architektur, diskret und intensiv zugleich, Teil des Baus. An der Porta Venezia, nur wenige Meter entfernt vom Palazzo, steht ein Gebäude, dessen Front seine Keramiken trägt. Hinter Glas geschützte Formenwelten, die sich in Bildern und anderen Arbeiten wiederfinden, zieren den sieben Stockwerke hohen Bau. Fontana gibt es an vielen Orten der Stadt. In der Casa Museo Boschi di Stefano ist ihm ein ganzes Zimmer gewidmet. Antonio Boschi und Marieda Di Stefano hatten zu Lebzeiten eine außergewöhnliche Sammlung aus Kunst des 20. Jahrhunderts in ihrer Wohnung im zweiten Stock des Gebäudes an der Via Jan zusammengetragen. Diese der Stadt vermacht, die dort ein Hausmuseum einrichtete. Dicht nebeneinander bedecken dort insgesamt 20 Concetto Spaziales, die er in den 1950er-Jahren schuf die Wände. Vor allem Buchi-Variationen, wenige puristische Tagli – auf Leinwand, aus Keramik, mit Steinen, Ton in Ton oder farbigexplodierend. Dreidimensional. Kunst, die in den Raum kam – arte spaziale eben.