Podiumsdiskussion mit Jürgen Dusel in Wuppertal „Demokratie und Inklusion sind zwei Seiten einer Medaille“
Politik und Publikum diskutierten in der Färberei zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung.
„Das Thema Inklusion muss immer wieder ins Bewusstsein rücken, es braucht neuen Mut für Diskussionen“. Diese Standpunkte vertritt Iris Colsman, Leiterin der Färberei in Oberbarmen, in der ganz nach diesem Motto am Freitag lange debattiert wurde. Das „Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben“ (KSL) aus Düsseldorf hatte zu der Veranstaltung eingeladen, die mit hochkarätigen Gästen aus der Politik besetzt war.
Oberbürgermeister Andreas Mucke machte in seinem Grußwort zunächst darauf aufmerksam, dass das Thema Inklusion mehr Anschub brauche, weil er auch in Wuppertal noch „Luft nach oben“ sieht. Darum lohne es sich, für soziale Teilhabe zu kämpfen. Er empfindet Vielfalt als Bereicherung, weshalb er sich stärker für Inklusion in allen Lebensbereichen einsetzen möchte. Das betreffe die ganze Gesellschaft und stärke die Demokratie auf nachhaltige Weise, so Mucke.
Jürgen Dusel: Viel zu oft werden Rechte nicht zugestanden
Der aus Berlin angereiste Bundesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, hielt im Anschluss seinen Vortrag „Demokratie und Inklusion sind zwei Seiten einer Medaille“. Warum es seiner Meinung nach wichtig ist, alle Menschen gleichermaßen in die Gesellschaft einzubeziehen, verdeutlichte er an fundamentalen Grundrechten, um deren Umsetzung es bei Inklusion gehe. Viel zu oft werden diese Rechte nicht zugestanden, so Dusel. Ein Viertel aller Arbeitgeber in Deutschland etwa verstoße stark gegen die Beschäftigungspflicht, die vorsieht, Menschen mit Behinderung einzustellen.
Auch nahm er die Politik beim Thema Barrierefreiheit in die Pflicht. Es dürften niemandem Steine in den Weg gelegt werden. Verbesserung sei zum Beispiel bei Informationspolitik mit Gebärdensprache, dem Krankenhausbesuch mit Assistenzperson oder rollstuhlgerechten Eingängen nötig. Dusel vertritt den klaren Standpunkt: „Nur barrierefreier Wohnungsbau verdient den Namen sozialer Wohnungsbau“. Dafür erntete er viel Applaus in der Färberei.
Auch in gesellschaftlicher Hinsicht müssten Veränderungen ermöglicht werden. Menschen mit Behinderung dürfen laut dem Bundesbeauftragten nicht länger als „defizitär“ betrachtet werden, ihre Kompetenzen, nicht nur jene in eigener Sache, müssten anerkannt werden. In Anbetracht der 14 Millionen Menschen, die in Deutschland mit Behinderung leben, seien Bemühungen um Inklusion keine Zusatzleistung, sondern „Wesensinhalt unserer Demokratie“.
Publikum beteiligte
sich an der Diskussion
Dem schloss Iris Colsman sich an. Sie sagte, der Kampf für Inklusion sei ein Kampf für Demokratie, die sie aktuell von rechten Parolen gefährdet sieht. Sich gegenseitig zu darin zu bestärken, für Werte einzustehen, war laut ihr ein Ansporn für die Veranstaltung.
Die wurde um eine Podiumsdiskussion ergänzt, an der nicht nur eine Expertenrunde aus Dusel, dem Landtagsabgeordneten Josef Neumann und der Wuppertaler Vorsitzenden des Beirates der Menschen mit Behinderung, Petra Bömkes, teilnahm, sondern auch das Publikum aktiv werden konnte. Zwei Plätze blieben frei, die je nach Thema von allen eingenommen werden konnten, die mitreden mochten.
Unter den Gästen war auch Sabine Neubauer, die vor 30 Jahren den Verein „behindert – na und?“ gründete. Die Rollstuhlfahrerin meint, dass Politik und Gesellschaft nicht getrennt werden könnten: Gesetze müssen umgesetzt werden, um Menschen mit Behinderung im Alltag präsenter zu machen und so Austausch zu ermöglichen. Diese Begegnung sorge letztlich für die Teilhabe aller.