Der Druck auf das Jobcenter wächst

In Wuppertal werden in diesem Jahr bis zu 10 000 anerkannte Flüchtlinge Hartz IV beantragen. Die Integration droht am Flaschenhals der Bürokratie zu scheitern.

Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Wird die Integration der Flüchtlinge in den kommenden Jahren in Wuppertal gelingen? Diese Frage kann zurzeit niemand mit Gewissheit beantworten. Doch es gibt Orte, wo entschieden wird, ob die riesige Herausforderung zu bewältigen ist. Einer dieser Orte ist Zebera, die zentrale Erstantrags- und Beratungsstelle für Menschen mit anerkanntem Fluchthintergrund, die vom Jobcenter am 1. Dezember an der Neumarktstraße in Betrieb genommen wurde.

Worin die Vorteile von Zebera liegen, ist schnell erklärt. Sachbearbeiter Martin Heimberg sitzt an diesem Morgen in seinem Büro einem jungen Mann gegenüber, der vor einem Jahr aus Syrien gekommen ist. „Ich habe in Damaskus als Informatiker gearbeitet und bin über die Balkanroute vor dem Krieg geflohen“, sagt er. Seinen Namen möchte er gegenüber der WZ lieber nicht nennen.

Diese und weitere Angaben zu seiner Person kann Martin Heimberg nur deshalb verstehen, weil Midia Ahmad als Dolmetscherin das Gespräch führt. Der junge Mann hat seit seiner Ankunft mit Ehrenamtlichen die neue Sprache geübt. Doch was er in dieser Zeit gelernt hat, reicht bei weitem nicht aus, um sich im Jobcenter über Arbeit, Ausbildung und Qualifizierung zu informieren.

„Das trifft leider auf die große Mehrzahl der Flüchtlinge zu. Daher ist es ein Glück, dass wir die Sprach- und Integrationsmittler aus einem Programm der Diakonie einsetzen können“, sagt Thomas Lenz, Geschäftsführer des Jobcenters. „Diese Beratungen sind zeitaufwendig und im normalen Betrieb des Jobcenters so nicht zu leisten, ohne dass der übrige Ablauf gestört würde“, so Lenz.

„Wir müssen davon ausgehen, dass wir allein 2016 in Wuppertal zwischen 7000 bis 10.000 Menschen zusätzlich in die Systeme aufnehmen. Und das sind zu 90 Prozent Menschen, die nicht in Wuppertal das Aufnahmeverfahren abgeschlossen haben. Die meisten kommen aus Ostdeutschland zu uns“, sagt Lenz.

Die Gefahr bestehe, dass die Jobcenter, wo Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) bearbeitet werden, zum Engpass aller Integrationsbemühungen werden. „Wir haben eine Chance, die Integration zu schaffen, aber es wird nur gelingen, wenn die Menschen in Arbeit kommen und im täglichen Umgang die Sprache erlernen. Nur so werden sich keine Ghettos bilden“, glaubt Thomas Lenz.

Der Druck auf die Mitarbeiter des Jobcenters wächst. Von Monat zu Monat steigt die Zahl der anerkannten Flüchtlinge aus Syrien. Im Februar 2015 waren 631 Personen aus Syrien als Hartz IV-Empfänger registriert, im Februar 2016 sind es bereits 2108 — mit stark steigender Tendenz. Zurzeit bearbeiten acht Sachbearbeiter des Jobcenters und eine Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit diese Fälle. Das Personal soll kurzfristig auf insgesamt 24 Mitarbeiter hochgefahren werden.

Wobei der Großteil der Arbeit auf das Jobcenter entfällt, denn der syrische Arzt mit guten Deutsch- oder Englischkenntnissen ist die Aunahme. Viel häufiger stehen an der Neumarkstraße inzwischen Menschen am Schalter, die nicht viel mehr als eine Plastiktüte gerettet haben und wegen der unterschiedlichen Schrift im Arabischen wie Analphabeten behandelt werden müssen.

Lenz weist darauf hin, dass das Jobcenter Essen 300 Stellen ausgeschrieben habe. In Wuppertal müssten kurzfristig 100 Stellen besetzt werden: Bei allen Bemühungen dürfe der Einsatz für anerkannte Flüchtlinge nicht zulasten der anderen Kunden des Jobcenters gehen. Die Einrichtung des Angebots Zebera sei daher nur ein erster Schritt. „Mein Fernziel ist ein kommunales Integrationszentrum, wo räumlich und organisatorisch die Aufgaben zusammengefasst werden“, schlägt Lenz vor.