Der große Traum von einem Leben ohne Geld

Beim Tauschring „Gib und nimm“ heißt es: Miteinander statt Marktwirtschaft.

Wuppertal. „Wie kann man das Leben durch einfachste Mittel bereichern?“ Diese Frage trieb Andrea Difort lange um. Vor 15 Jahren erhielt sie eine Antwort — von Heidemarie Schwermer, die in Dortmund den ersten Tauschring Deutschlands initiierte und seither ein Leben ohne Geld führt. „Es war verblüffend, was man allein auf Tauschbasis hat — ganz ohne Geld oder Währungsersatz“, sagt Difort heute. 15 Jahre, nachdem sie Wuppertals ältesten Tauschring „Gib und nimm“ gegründet hat.

Am Sonntag feierte Difort mit den anderen „Gib und nimm“-Mitgliedern den Vereins-Geburtstag im Nachbarschaftsheim. 65 Mitglieder zählt der Verein derzeit, vom Heim- und Handwerker über Akademiker bis zur alleinerziehenden Mutter. „Das Publikum ist gemischt. Es gibt die wirklich Bedürftigen, aber eben auch Menschen, die einfach gerne etwas anbieten und so vielleicht Kontakte knüpfen“, erklärt Difort. Und alle eint der Traum von einem Leben, in dem nicht allein die Brieftasche über das Dasein entscheidet.

Stattdessen wird bei Gib und Nimm mit Talenten bezahlt: Fahrradreparatur gegen Wände streichen, Kuchen backen gegen Hemden bügeln. Jeder wirft seine Fähig- und Fertigkeiten in Den Ring — und was für den Einen sogar eine Freude sein kann, bringt dem Anderen großen Nutzen. „Bei uns gibt es keine Art der Verrechnung oder ein Erfassungssystem. Jeder gibt und nimmt gerne. Alles wird auf einer Liste festgehalten und ist so für alle ersichtlich“, erklärt Difort.

Auch gemeinschaftliche Aktionen fördern den Zusammenhalt der Mitglieder. Beispiel: Der Eine geht gern tanzen, weiß aber nicht wo. Ein Anderer hat einen guten Tipp und schließt sich kurzerhand an. Da nun der fahrbare Untersatz fehlt, wird gleich ein Dritter mit eingeweiht, der sowieso noch die letzte Reparatur bei dem Vorherigen offen hat.

„Das sind viele kleine Kettenreaktionen. Hier haben sich schon echte Freundschaften herausgebildet. Man kann im Glücksfall sogar die Liebe seines Lebens finden“, schmunzelt Difort. Denn bei vielen Mitgliedern spiele der soziale Kontakt eine große Rolle. Hemden werden erst dann gebügelt, wenn dabei gesellig geplaudert wird. Für einen frischen Anstrich stehen meist Kaffee und Kuchen parat. „Was für den Einen nicht wichtig ist, kann für den Anderen ein Schatz sein. Wir sind in Wuppertal wie eine große Nachbarschaft. Die Fülle, die wir haben ist enorm — ganz ohne Geld“, so Difort.