Der Herr der Spielplätze geht: Peter Krieg sagt Adieu

Peter Krieg hat sich mehr als 35 Jahre für Kinder und Jugendliche engagiert. Ab heute ist der Sozialarbeiter im Ruhestand.

Herr Krieg, mal ganz ketzerisch gefragt: Brauchen wir heute wirklich noch Spielplätze?

Peter Krieg: Gerade heute — denn es gibt immer weniger Freiräume für Kinder. In meiner Jugend brauchte ich keinen Spielplatz, wir hatten einen Wald hinter dem Haus. Heutzutage sind Spielplätze auch Ersatzflächen für verlorengegangene innerstädtische Räume — Orte, wie Wiesen, Wege oder auch Höfe, auf denen Kinder sonst hätten spielen können.

Spielplätzen kommt also sogar eine größere Bedeutung zu?

Krieg: Auf jeden Fall. Sie sind sozusagen eine pädagogische Einrichtung ohne Personal.

Was heißt das konkret?

Krieg: Wir versuchen, Erfahrungsräume zu schaffen, die Kinder für ihre Entwicklung brauchen. Kinder wollen sich erproben, Grenzen überschreiten und Neues kennenlernen. Deshalb ist es auch wichtig, mit natürlichen Materialien zu arbeiten. Die Leute schimpfen gelegentlich, wenn wir dicke Felsenbrocken aufstellen. Ich find’ die aber gut. Wo in der Stadt kann man denn heute noch Natursteine anfassen — oder auf ihnen herumklettern?

In Wuppertal können Kinder seit fast 20 Jahren ihre Spielplätze mitgestalten. Wie kam das?

Krieg: Ein Schwerpunkt meiner Arbeit war immer das Thema kinderfreundliche Stadt — dazu gehört die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen in möglichst vielen Bereichen. Spielplätze sind quasi die erste Ebene, um Kinder an Planung zu beteiligen.

Was war das erste gemeinsame Projekt mit Kindern?

Krieg: Den ersten Platz, den wir gemeinsam gestaltet haben, gibt es heute schon gar nicht mehr: Das war 1995 der Spielplatz Hagenauer Straße, am Platz der Republik, hinter dem Bunker. Der ist ja abgerissen worden — eigentlich ein bisschen tragisch (lacht).

Das Beteiligungsverfahren ist ein Erfolgsmodell — und auch so etwas wie Ihr Markenzeichen geworden.

Krieg: Ich habe es damals vorangebracht, doch wir haben immer Kollegen gehabt, die das Konzept mit- und weiterentwickelt haben. Es ist ein aufwendiges Verfahren — mit den Kindern erforschen wir das Umfeld des jeweiligen Spielplatzes und entwickeln dann gemeinsam eine Planung. Anschließend wird mit den Landschaftsarchitekten geschaut, was machbar ist. Wir haben versucht, diese Beteiligung zur Regel zu machen.

Heutzutage müssen es Drehscheiben oder Kletterschiffe sein. Hat die gute alte Schaukel ausgedient?

Krieg: Die gibt es ja weiterhin. In den vergangenen Jahren wurden verstärkt Drehscheiben eingesetzt, weil das tolle Spielgeräte sind, auf denen zehn, fünfzehn Kinder gleichzeitig spielen können. Auch Nestschaukeln fördern das Gemeinschaftserlebnis. Früher schaukelte jeder für sich und musste warten, bis er dran war.

Sind Kinder anspruchsvoller, wollen mehr „Technik“ als früher?

Krieg: Klar, sie äußern auch Wünsche, die sich aus ihrer Medien- und Alltagswelt ableiten. Doch im Grundsatz ist geblieben, dass sie ein Umfeld vorfinden möchten, in dem sie neue Erfahrungen machen können.

Was schätzen Sie — wie viele der rund 260 Wuppertaler Spielplätze haben Sie im Laufe der Jahre umgestaltet? Und haben Sie einen Lieblingsspielplatz?

Krieg: Na, ich schätze, so an die 20, 30 Flächen werden es gewesen sein. Gut gelungen ist beispielsweise der Platz am Unteren Grifflenberg, am Klever Platz oder zuletzt der Spielplatz Spitzenstraße.

Auch Spielplatzplanung war vermutlich nicht immer nur die reine Freude — man denke an die Diskussion um die Röhrenrutschen . . .

Krieg: Ach ja (lacht). Ärger hat es immer mal wieder gegeben. Wir machen Spielplätze attraktiver, und kaum werden sie stärker genutzt, beschweren sich Anwohner. Das war auch damals so, als es um die Röhrenrutschen ging. (2003 musste nach Klagen eines Anwohners die Röhrenrutsche an der Roonstraße abgebaut werden, sie steht nun im Zoo, Anm. der Red.) Letztendlich wurde uns ja gerichtlich bescheinigt, dass Röhrenrutschen für Kleinkinderspielplätze geeignet sind. Insgesamt aber hat die Bereitschaft der Gesellschaft, Kinderspiel zu akzeptieren, leider abgenommen.

Was hat sich noch verändert?

Krieg: Die finanziellen Rahmenbedingungen. Wir hatten mal mehr als eine Million Euro zur Verfügung, jetzt sind es noch 300.000. Uns war immer wichtig, Planung und Umgestaltung innerhalb eines Jahres hinzubekommen, damit Kinder die Veränderung auch sehen. Heutzutage kann es sein, dass wir planen, und dann ist doch kein Geld da. Das geht nicht, da fühlen sich Kinder nicht ernst genommen.

Zum Glück gibt es Fördertöpfe und private Initiativen . . .

Krieg: Ja, ohne Förderung und Initiativen aus den Stadtteilen wäre beispielsweise die Neuplanung am Schusterplatz nicht möglich gewesen, auch nicht die an der Samoastraße oder im Nordpark.

Ihr persönlicher Spielplatzwunsch?

Krieg: Ich hätte ja gern noch viel mehr Wasserspielplätze! Aber ich musste lernen, dass die leider sehr teuer in der Unterhaltung sind.

Die Zukunft der Plätze im Tal?

Krieg: Es gibt eine große Untersuchung zum Zustand und eine Bedarfsermittlung. In Zeiten knapper Kassen will man genau wissen, wie viele Kinder in Zukunft wo sein werden, welches Quartier wie versorgt ist. Da bin ich dann aber nicht mehr dabei — darum müssen sich die Kollegen unbeeinflusst von mir kümmern (lacht).

Und jetzt? Spielplatzplanung ohne Sie, das ist ja eigentlich kaum vorstellbar. Wie geht es weiter?

Krieg: Ich bin ja nicht aus der Welt. Es gibt bereits etliche Anfragen — und ich arbeite weiterhin im Kinderschutzbundvorstand, engagiere mich für die Alte Feuerwache an der Gathe.

Warum darf bei der Arbeit mit Jugendlichen nicht gespart werden?

Krieg: Weil es fahrlässig ist. Wir sind Teil der Prävention. Schließt man Einrichtungen, werden Chancen vertan, gefährliche Entwicklungen zu stoppen — beispielsweise das Abdriften junger Leute in den Extremismus.