Literatur Der Oberbürgermeister als Poetry-Slammer
Andreas Mucke trug zum Abschluss des Literaturfestivals „LIT.ronsdorf“ Texte von Patrick Salmen vor.
Dass Andreas Mucke über darstellerisches Talent verfügt, weiß man spätestens seit seinen Auftritten als Mitglied des TiC-Ensembles in Cronenberg. Dass der Oberbürgermeister aber auch neuere Bühnenformate beherrscht, konnten die etwa 140 Besucher des Finales der 13. Ronsdorfer Literaturtage „LIT.ronsdorf“ am Samstagabend erleben. In der Galerie im Ronsdorf-Carré las Mucke Texte des aus Wuppertal stammenden Poetry-Slammers Patrick Salmen.
Sein Auftritt auf dem Festival war eine Premiere, die noch dazu auf großes Interesse stieß: Die Veranstaltung war ausgebucht, zusätzliche Stühle mussten vom gegenüberliegenden Eiscafé ausgeliehen werden. Der OB zeigte sich angesichts des großen Andrangs etwas überrascht: „Es ist ja brechend voll hier, habt ihr kein Zuhause?“, scherzte er im einleitenden Gespräch mit Moderator Michael Schumacher.
Erinnerungsalphabet
und platzende Träume
Mit Schumacher lieferte sich Mucke zunächst einen dramaturgischen Dialog, in dem die beiden aus der Kurzgeschichte „Erinnerungsalphabet Wuppertal“ lasen, die die aus Schwelm stammende Autorin Judith Kuckart in einer Anthologie zum Thema „Heimat“ veröffentlicht hatte. Entlang des alphabetischen Ordnungsprinzips skizziert die 1959 geborene Künstlerin darin Menschen, Orte und Begebenheiten, die für sie Heimat ausmachen. Ein starker Akzent liegt dabei auf Pina Bausch und ihrem Tanztheater, aber auch Erinnerungen an Kamillentee, eine Zahnspange oder – wenig überraschend – die Schwebebahn werden angeschnitten.
Höhepunkt des Abends war für die Zuschauer dann sicherlich der halbstündige Solo-Auftritt von Andreas Mucke. Für die Auswahl der Lektüre hatte er sich die Expertise der Stadtbibliothek erbeten und war so auf den aus Wuppertal stammenden und mittlerweile in Dortmund lebenden Poetry-Slammer Patrick Salmen verfallen. Sechs längere und kürzere Texte aus dessen Buch „Treffen sich zwei Träume. Beide platzen“ trug der OB vor.
In den Texten geht es unter anderem um einen knurrigen Buchhändler, der seine ratsuchende Kundschaft mit Kommentaren bedenkt, die originell und sentenzenhaft, aber wenig umsatzfördernd sind. Dass sich nur wenige Menschen in den Buchladen verirren, kann der Inhaber immerhin dadurch kompensieren, dass er die in seinem Geschäft versammelten Bücher selbst lesen konnte.
Seine Abscheu für eine bestimmte Art von infantilem „Bürohumor“ bringt Salmen in der Geschichte „Ich liebe Menschen“ auf den Punkt. Darin philosophiert er darüber, inwieweit die Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs und die damit verbundenen Begegnungen mit Zeitgenossen den „Menschenhass“ befördern – und inwieweit eine „bedingungslose Anpassung“ die beste Überlebensstrategie ist.
All das trug der Oberbürgermeister in einem Rezitationsstil vor, der klar und deutlich war, keine Pointe verstolperte und an den passenden Stellen auch den richtigen Tonfall fand. Lediglich einmal geriet das Stadtoberhaupt ins Stocken, als er seine Seite zugeschlagen hatte – und auf die Schnelle nicht wieder den Anschluss fand. In der Geschichte selbst ging es in diesem Moment passenderweise ums „Schämen“.
Den zweiten Teil des Abends bildete eine „musikalische Lesung“ mit der Sängerin Eva-Marie Monhof und dem Pianisten Leon Gleser. Sie trugen aus dem Buch „Melodie des Meeres“ vor, in dem die Protagonistin Mina die Insel ihrer Kindheit wiederbesucht.
Organisatorin Monika Diehle vom Arbeitskreis LIT.ronsdorf zog zum Auftakt des Abends ein positives Fazit des Festivals. Die Zuschauerresonanz sei in diesem Jahr mit fast 1100 Besuchern wieder sehr gut und auf ähnlichem Niveau wie in den Vorjahren gewesen, sagte Diehle. Bei 37 Veranstaltungen seit dem 13. Oktober konnten die Besucher 62 Autoren, Vorleser, Musiker und weitere Künstler erleben.
Das Interesse an Literatur sei weiterhin „sehr vielschichtig“, das spiegele sich in der Vielfalt des Programms. Erfreulich sei zudem, dass die Gäste nicht nur aus Ronsdorf, sondern dem gesamten Bergischen Städtedreieck und darüber hinaus kämen, sagte Diehle.