Selbstverteidigung Der T-Rex entwickelt Energie, mit der er sich verteidigen kann

Wuppertal · Luis Silva bietet im Café Ada einen Schnupperkurs an. Die Altersspanne der Teilnehmer reicht von 9 bis 52 Jahren.

Luis Silva (rechts), Spitzname T-Rex, gibt Kurse und bringt Teilnehmern wie Marc Neumann (links) die brasilianische Tanz-Kampfkunst Capoeira bei.

Foto: Andreas Fischer

Wer sich nicht wehren darf, sich aber wehren muss, wird kreativ. Weil sie keine Kampftechniken lernen durften, tarnten die afrikanischen Sklaven in Südamerika ihre Kampfkunst hinter Spiel, Musik und Tanz. Auf diese Weise ist Capoeira entstanden. Inzwischen hat die Tanz-Kampfkunst mehrere Schulen und einen jeweiligen Meister, sie ist um die Welt gereist und wird überall trainiert.

Auch auf der Insel im Wuppertaler Café Ada oben wird sie praktiziert. Hier hat sich eine kleine Gruppe um Luis Silva zusammengefunden, die unter der Leitung des Peruaners einen Schnupperkurs macht. Vom neunjährigen Emil bis zum 52-jährigen Marc können alle mitmachen, weil es im Capoeira darum geht, bei sich anzufangen und im Rahmen der jeweils eigenen Möglichkeiten diese durchaus außergewöhnlichen Bewegungen kennenzulernen.

Und für diejenigen, die eher Sportmuffel sind, gibt es immer noch die Capoeira-Musik. Die stellt Silva – im Capoeira trägt er den Spitznamen T-Rex, warum, verrät er nicht – auch zu Beginn schon vor, indem er auf dem Berimbao spielt: Ein Instrument mit einer Saite, das durch seinen Klangkörper aus getrocknetem Kürbis einen speziellen Ton erzeugt. Dazu wird traditionell in der Gruppe geklatscht und gesungen. Wie bei einer Unterhaltung mit Frage und Antwort – darum geht es im Capoeira die ganze Zeit.

Die Bewegungen sind
wie Frage und Antwort

Und auch die Bewegungen beschreibt Silva als Fragen und Antworten. Nach dem Aufwärmen und einigen Dehnungen leitet er die erste Übung an: Spielt Silva auf dem Berimbao einen schnellen Rhythmus, sollen alle durch den Raum laufen, jeder für sich, ganz egal, woher. Spielt er langsamer, so sollen alle auf den Boden gehen und auf allen Vieren – wahlweise mit dem Blick zur Decke oder nach unten – durch den Raum wandern. Denn zum Bewegen gehöre es, den Raum zu kennen und zu wissen, wie die Umgebung aussieht – auch ohne hinzuschauen. Den meisten, auch drei Männern, die schon länger Capoeira-Kurse besuchen, ist danach warm genug, um sich den ersten Bewegungen der Tanz-Kampfkunst zu widmen: Große Ausfallschritte durch den Raum, später übt das Bein dabei einen halbmondförmigen Bogen (später wird das ein Tritt), schließlich folgt zunächst ein halber, dann ein ganzer Handstand und ein Radschlag. 

Doch eigentlich ist die Grundbewegung das Gehen, erklärt Silva dann, als es um die Fragen und Antworten geht, die man sich im Capoeira über die Bewegungen stellt. Und so wird ein Schritt geübt, der sehr an das natürliche menschliche Gehen erinnert: Ist der rechte Fuß vorn, kommt der linke Arm vor – und andersherum. Die Grundbewegung namens Ginga wird dann Ausgangspunkt für den Halbmond-Tritt (sozusagen die Frage), das Wegducken (demnach die Antwort) und den Radschlag, mit dem man sich aus der Situation löst. Die seitlichen Bewegungen gibt es nach rechts und nach links. Nach einigen Übungen zur Capoeira-Musik kommt es zur Tanz-(Kampf-)Partnerwahl: Hierbei werden die Bewegungen des Gegenübers gespiegelt; auf den Tritt wird mit dem Wegducken geantwortet.

Es ist gar nicht so einfach, diese außergewöhnlichen Bewegungen mit dem Körper umzusetzen, wenngleich der Kopf sie bereits verstanden hat. Und den Gegner und Tanzpartner gegenüber zu haben, hilft manchmal, beeinträchtigt aber auch die Konzentration auf den eigenen Körper.

Traditionell findet das Spiel in einem Kreis aus Capoeiristas statt

Als die Bewegungen so einigermaßen sitzen, übt Silva mit der Gruppe auch das Musizieren. Während er auf dem Berimbao spielt und singt, klatscht die Gruppe den Takt und antwortet auf den Gesang von Silva. 

Dass dazu bereits alle im Kreis stehen, hat einen guten Grund: Traditionell findet das Spiel im Roda statt, einem Kreis aus Capoeiristas, in dem geklatscht und gesungen wird, während zwei in der Mitte des Kreises spielen, tanzen, kämpfen. Wenn sie abgelöst werden, muss der Kreis sogleich geschlossen werden, um die Energie darin zu halten.

Die musikalischen und tänzerischen Elemente im Capoeira haben sich aus dem dem Einfluss afrikanischer Tänze entwickelt, durch die es möglich wurde, die Formen des Kampfes und der Verteidigung vor den Portugiesen zu verstecken. Inzwischen ist Capoeira mehr ein Sport geworden. Doch einige Gruppen erhalten die Tradition. Dazu gehört auch, dass die Capoeiristas Spitznamen tragen – wie Luis Silva den Namen T-Rex.