Kaiserwagen Die erste Fahrt mit der Schwebebahn mit 80 Jahren
Gustav Heinemann erlebte die Premiere gleich im Kaiserwagen.
Wuppertal. Mehr als ein halbes Jahrhundert lebt Gustav Hempel in Wuppertal. Aber mit der Schwebebahn ist er noch nie im Leben gefahren. Ja, die Rede ist von dem Gustav Hempel, der seit den 1960er Jahren in der Stadt erfolgreiche Clubs wie „Blue Note“ und „Intermezzo“ betrieb und seine Gäste als Jazz-Pianist unterhielt.
Der 80-jährige runzelt die Stirn, wenn man ihn nach Gründen für seine völlige Schwebebahn-Abstinenz fragt. Das habe an seinem Beruf gelegen, meint er nach einer Pause. „Vier Jahrzehnte lang habe ich nachts gelebt und gearbeitet. Überhaupt bin immer nur mit dem Auto gefahren oder zu Fuß gegangen.“ Es sei „wirklich eine Schande“, dass er das Wahrzeichen seiner Heimatstadt nur von außen kenne.
Am Sonntag konnte Hempel endlich seine Jungfernfahrt machen, und zwar gleich mit dem Kaiserwagen. Jene Bahn, die schon Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1900 durch das Tal der Wupper trug. Zur einstündigen Stadtrundfahrt hatte Eberhard Neumann aus Ratingen Verwandte und Bekannte eingeladen - und seinen alten Freund Hempel.
Wenige Minuten vor Abfahrt mischte sich Hempel an der Schwebebahnstation Vohwinkel unter die gut 40 anderen Fahrgäste auf der Plattform, die großzügig von der Sonne beschienen wurde. „Ich bin richtig aufgeregt!“, meinte eine Frau zu Neumann. „Wir sind ja schon Schwebebahn gefahren, aber noch nicht mit diesem Luxuswagen.“ Hempel dagegen gab sich kurz vor seiner „Premiere“ entspannt. „Ich lass es einfach auf mich zukommen. Ich will einfach einen schönen Tag erleben.“
Dann fuhr er ein, der rot-goldene Doppelwagen mit der Nr. 5. Zugbegleiter in blauen Uniformen riefen: „Bitte alle einsteigen!“ Während Mütter und Kinder im hinteren Wagen Platz nahmen, saß Hempel mit den anderen vorne auf den grünen Plüschpolstern. „Ich kann mit einer Kuriosität aufwarten“, sagte Gastgeber Neumann und wies auf den Mann, der so lange in Wuppertal gelebt und doch nie geschwebt habe. Auch jetzt sorgte er für erstaunte Gesichter.
Danach griff eine Zugbegleiterin in historischem Kostüm und Hut zum Mikro und erläuterte die Sehenswürdigkeiten auf der Strecke. Vorbei ging es an den Bayer-Werken und am Zoo, am Schauspielhaus und an der Oper. Er habe sich sogar jedes einzelne Haus genau angeschaut, sagte Hempel später in scherzhaftem Ton.
Mit der Tour bis Oberbarmen und zurück war das Tagesprogramm noch nicht vorbei. Eberhard Neumann und seine Gäste kehrten zum Mittagessen in ein Restaurant im Zoo-Viertel ein. „Ich bin froh, dass ich es gemacht habe“, sagte ein gut gelaunter Gustav Hempel. Weitere Fahrten mit dem Kaiserwagen könne er sich auf jeden Fall vorstellen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass sich für ihn so schnell wieder eine Gelegenheit ergibt. Zusammen mit seiner Ehefrau hat Gustav Hempel einen zweiten Wohnsitz auf Mallorca und ist deshalb nur noch selten in der Schwebebahn-Stadt Wuppertal.