Medizin Die Honorare für Hausärzte sollen reformiert werden – Wuppertaler Mediziner ist skeptisch

Wuppertal · Ärzte müssen in einem Quartal bis zu 1400 Patienten betreuen.

Hausärzte sollen bald fairer bezahlt werden.

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Die Arbeit von Hausärzten soll bald fairer vergütet werden. Das ist zumindest der Plan des Bundesgesundheitsministeriums, das eine Reform der Honorare vorsieht. In dem Gesetz soll es vor allem darum gehen, Obergrenzen bei der Vergütung aufzuheben. „Mehrarbeit wird bezahlt, auch wenn das Budget ausgeschöpft ist“, heißt es darin. Dies soll Arztpraxen auch ermöglichen, mehr Patienten aufzunehmen. Außerdem soll es eine Versorgungspauschale für Patienten mit chronischen Erkrankungen geben, die wenig Betreuungsbedarf haben. Dadurch soll es für Patienten leichter werden, Praxistermine zu bekommen. Als dritter Punkt wird die Möglichkeit für mehr Home Office angegeben.

Die WZ hat mit Dr. David Schwartze darüber gesprochen, inwieweit die Überlegungen die Arbeitsbedingungen für Hausärzte verbessern oder ob die hohe Belastung dadurch kaum gemindert würde. Der 47-Jährige ist Facharzt für Allgemeinmedizin in Wuppertal und betreibt mit Fevzi Sari, Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, eine hausärztliche Praxis am Wall in Elberfeld.

„An Spitzentagen sehen wir 75 Patienten in der Sprechstunde“

„Wir sehen beide im Quartal 1300 bis 1400 Patienten, sodass wir in Summe bei 2800 Patienten pro Quartal liegen“, offenbart Dr. David Schwartze das Pensum der hausärztlichen Praxis. „Meist gibt es eine Zehn-Minuten-Taktung“, diese hänge aber von den Patienten und deren Erkrankungen ab. „Wenn jemand mit einem einfachen Atemwegsinfekt kommt, geht das, aber für Patienten mit psychischen Erkrankungen müsste man viel mehr Zeit aufwenden.“ Gleiches gelte für ältere Patienten, die vielleicht in ihrer Mobilität eingeschränkt sind „und wo es per se etwas langsamer geht“. Mittlerweile empfinde Schwartze seine Tätigkeit als Fließbandarbeit. „Wir haben hier zwischen 40 und 60 Arzt-Patienten-Kontakte täglich, an Spitzentagen auch 75, allein in der Sprechstunde.“ Zwischendurch müssten aber auch Laborwerte geprüft und Briefe verarbeitet werden, „dazu haben wir nach der Sprechstunde noch Hausbesuche. Ich bin jetzt 47 Jahre und werde noch etwa 20 Jahre arbeiten müssen, aber auf dem Niveau wie es derzeit läuft, werde ich das dauerhaft nicht mehr können.“ Seine Frau sei Kinderärztin und auch sie erlebe das Arbeitspensum als hohe Belastung, zumal angesichts der großen Verantwortung.

Die Reformpläne sieht Schwartze zwiespältig: „Man kann nicht an einzelnen Stellschrauben drehen, um die Probleme, die sich über viele Jahre entwickelt haben, zu lösen.“ Grundsätzlich könne die geplante Gestaltung dazu führen, dass Praxen weniger bürokratischen Aufwand haben „und bereit sind, mehr Sprechzeiten anzubieten“. Jedoch könne dies auch das Gegenteil auslösen: „Eine bessere Vergütung kann auch dazu führen, dass einige Kollegen ihre ohnehin überstrapazierte Arbeitszeit reduzieren, um eine erträgliche Work-Life-Balance zu erreichen.“

Andererseits gehe es in den Plänen darum, „dass chronische Patienten nicht immer wieder auf der Matte stehen müssen, um Rezepte abzuholen, sondern dass sie diese vorab und als E-Rezept anfordern können, um damit direkt in die Apotheke zu gehen. Das kann im Praxisablauf eine Erleichterung verschaffen.“

Das sei aber mit mehreren Problemen verbunden: Das elektronische Rezept, das Anfang des Jahres eingeführt wurde, „hat leider auch noch nicht den gewünschten Effekt“. Denn es sei notwendig, einmal im Quartal die Versicherungskarte einzulesen, „damit wir auch wissen, dass der Patient noch Mitglied bei der gleichen Versicherung ist“. Wäre dies nicht erforderlich, könnte der Arzt statt der Standardpauschale bei persönlichem Arztkontakt nur eine Verwaltungsziffer abrechnen, „was einen erheblichen Einkommensverlust bedeuten würde“. Schließlich seien die Hausärzte in der Regel selbstständig tätig und müssten Gewinne erwirtschaften.

Die Eingliederung von Home Office auch in die ärztliche Arbeit sei hingegen relativ: „Es gibt ja in der Branche die Möglichkeit von Video-Sprechstunden“, so Schwartze. „Die sind aber nur für wenige Bereiche sinnvoll, etwa wenn wir Laborwerte mit den Patienten besprechen.“ Natürlich könne man auch banale Erkältungseffekte im Rahmen einer Video-Sprechstunde abhandeln, dann bestehe aber die Gefahr, „dass man eine Lungenentzündung übersieht, weil man den Patienten nicht abhorchen kann. Deshalb macht mich diese Option sehr skeptisch.“

Generell gebe es keine akute Patentlösung. „Am Ende geht es immer um Geld, das knapp ist.“ Zudem fehle der Nachwuchs, in den viel mehr investiert werden müsse. Sein Fazit: „Ich bin wenig optimistisch, dass sich die Situation für Hausärzte erheblich verbessern wird.“