Die Rapper-Clique und ihr Opfer

Jugendgewalt: Wie die Behörden versuchen, die latente Gewalt innerhalb einer Wuppertaler Jugendclique zu stoppen.

<strong>Wuppertal. Eigentlich ist Nils W. (Name von der Redaktion geändert) das klassische Opfer. Über mehrere Wochen hinweg soll der 14-Jährige in einer Wohnung in Wichlinghausen gequält worden sein. Als mutmaßliche Täter gelten die Mitglieder aus Nils’ Wuppertaler Rapper-Clique. Motiv: Sie wollten die Gewalt aus Rapper-Videos nachstellen, filmen, ins Internet stellen und so berühmt werden. Kein Spiel, sagen die Ermittler. Wie berichtet, sitzen zwei 17- und 18-Jährige aus der Clique seit Monaten in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung.

Staatsanwaltschaft will in Kürze Anklage erheben

In Kürze will die Staatsanwaltschaft Anklage erheben. Auch gegen ein 15 Jahre altes Mädchen. Die Ermittler gehen davon aus, dass sie die Clique zu den Quälereien angestiftet hat. Somit steht die gerichtliche Klärung des Falls bevor. Auf den ersten Blick wirkt das vielversprechend. Doch der bizarre Fall liegt anders. Er offenbart ein Katz- und-Maus-Spiel, in dem die Behörden oftmals als Letzte ins Ziel kommen. Trauriger Beleg dafür ist das Opfer Nils W. Über den 14-Jährigen führt die Kripo längst eine pralle Akte. Körperverletzung, Diebstahl, Drogen - die ganze Bandbreite.

Erst kürzlich - seine Opferrolle innerhalb der Rapper-Clique war gerade öffentlich bekannt geworden - wurde Nils wieder einmal erwischt. Auf den Bahnhöfen in Vohwinkel und Barmen hatte er die Geldrückgabeschlitze von Kartenautomaten verstopft, wurde beim Leeren von der Bundespolizei gefasst.

Und längst hat Nils wieder Kontakt zu seiner Clique. Die Behörden werden von ihm leichthändig ausmanövriert. Zwar hat "Knuddels.de" die Seite des 14-Jährigen aus dem Netz genommen, doch der Jugendliche hat mittlerweile ein neues Forum im Internet gefunden, veröffentlicht dort ungerührt Fotos und Texte.

Fakt ist: Die Staatsanwaltschaft hat mit der Verhaftung der beiden 17 und 18 Jahre alten Cliquen-Mitglieder offensichtlich zum letzten Mittel gegriffen. Mittlerweile gab es zwei Haftbeschwerden. Die wurden mit Verweis auf Fluchtgefahr zurückgewiesen. Ein deutliches Zeichen: Nach WZ-Informationen ist das Rapper-Duo nicht einschlägig vorbestraft. Normalerweise dauert es wesentlich länger, bis junge Leute in Deutschland ins Gefängnis müssen.

Die angebliche Anstifterin zu den Quälereien hat eine ähnlich schwierige Vorgeschichte wie Nils W. Das junge Mädchen soll innerhalb der Clique während diverser Quäl-Sitzungen unter anderem den Tod des 14-Jährigen per Axthieb gefordert haben. Der Schmerz anderer sei für sie ein Genuss, soll sie Cliquen-intern geäußert haben.

Personal Derzeit sind beim Jugendamt 43 Sozialarbeiter beschäftigt. Sechs weitere sollen kommen dazu. Kostenpunkt: etwa 300 000 Euro pro Jahr. Die Ausschreibung läuft.

Die bizarren Vorfälle um die Wuppertaler Rapper-Clique demonstrieren unangenehm deutlich, wohin sich ein Teil junger Menschen entwickelt - wenn man sich nicht ausreichend um ihn kümmert. Jugendgewalt hat es natürlich schon immer gegeben. Es ist das Ausmaß, das einen sprachlos macht. Ein 15-jähriges Mädchen fordert einen tödlichen Axthieb und soll gesagt haben, der Schmerz anderer Menschen bereite ihr Genuss.

Woher kommt diese Brutalität, und warum manifestiert sie sich immer deutlicher, immer öfter? Es ist nur allzu oft das Versagen der Eltern in einer Welt, die jungen Menschen immer leichter den Zugang zu exzessiven Gewalt- und Sex-Darstellungen ermöglicht. Das Internet ist ein nicht zu leugnender Bestandteil dieser Entwicklung.