Wuppertal Die SPD ist für eine Pflegebürgerversicherung
Wuppertal · Die Abgeordneten Helge Lindh und Claudia Moll diskutierten im Kontakthof.
Die SPD arbeitet an Verbesserungen zur Pflege, aber der Koalitionspartner CDU steht auf der Bremse – das Bild vermittelten die beiden SPD-Bundestagsabgeordneten Helge Lindh und Claudia Moll. Sie diskutierten am Dienstagabend mit den Besuchern im voll besetzten Kontakthof.
Der Wuppertaler Abgeordnete Helge Lindh hatte Claudia Moll, seine Kollegin und Tischnachbarin aus dem Bundestag, mitgebracht. Sie hat als gelernte Altenpflegerin 28 Jahre Erfahrungen aus der Praxis und zog wie Lindh vor zwei Jahren in den Bundestag. Lindh stellte sie vor als eine, die „für dieses Thema brennt“.
Kleine Frotzeleien zwischen den beiden Politikern belebten die Diskussion. Die 51-Jährige nahm kein Blatt vor dem Mund, führte immer wieder Beispiele aus ihrem Berufsleben an und verwies öfter darauf, wie mühsam es sei, in der Politik etwas zu erreichen. Und dass sie die Politik weiterhin kritisch beobachte. So frage sie immer wieder, welche Wirkung die 13 000 beschlossenen Stellen in der Pflege haben. Ihr Fazit: „Die einen sagen, es läuft ,super’, die anderen, es läuft ,gar nicht’.“
Viele Anmerkungen aus dem Publikum gab es zum Thema Finanzen. Dass Kinder von Pflegebedürftigen erst einen Beitrag zu den Pflegekosten leisten müssen, wenn sie mehr als 100 000 Euro im Jahr verdienen, wurde zwar positiv aufgenommen, aber „Was ist mit den Ehepartnern?“, war eine besorgte Frage.
Eine Zuschauerin beklagte, dass das Geld der Versicherung bei der ambulanten Pflege nicht reicht. Ein Mann aus dem Publikum kritisierte: „Die Pflege zu Hause ist günstiger. Das heißt doch, da wird auf Kosten der Angehörigen gespart.“ Es gab auch die Frage, ob der Beitrag der Angehörigen nach oben gedeckelt werden könne.
„An der Finanzierung der Pflege
müssen wir arbeiten“
An der Finanzierung der Pflege „müssen wir arbeiten“, stimmte Claudia Moll zu. „Wir sind für die Pflegevollversicherung, aber das ist mit der CDU nicht durchsetzbar.“ Dass die Versicherung nur einen Teil der Pflegekosten bezahle, sei eine Entscheidung der Blüm-Ära. Der Idee, man müsse auch privat vorsorgen, widersprach sie: „Es gibt Menschen, die können das nicht!“ Lindh ergänzte, dass die Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD eine Pflege-Bürgerversicherung fordere. „Aber in der Koalition ist das nicht konsensfähig.“ Es sei aber wichtig, diese Forderung bekannt zu machen.
Claudia Moll erklärte, sie engagiere sich vor allem für einen verbesserten Pflegeschlüssel. Derzeit liege der bei 20:1, „Ich will 10:1“. Gebraucht würden mehr Plätze in der Tagespflege, in der ambulanten Pflege und in der Kurzzeitpflege. Sie versicherte, sie schreibe das immer wieder an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Und sie sei dabei sehr hartnäckig.
Eine Zuschauerin schilderte, wie schwierig es sei, einen Kurzzeitpflegeplatz für einen Angehörigen zu finden. Claudia Moll bestätigte, dass Kurzzeitpflegeplätze abgebaut wurden – weil sie nicht wirtschaftlich waren.
Lindh erinnerte an die „Konzertierte Aktion Pflege“, zu der sich die Ministerien für Gesundheit, Arbeit und Familie zusammengeschlossen hätten. Da gehe es auch um gerechten Lohn für Pflegekräfte – ob durch Tarifverträge oder einen höheren Mindestlohn, das werde sich im Juni entscheiden.
Die Geschichte eines Zuschauers, der seine 90-jährige Mutter lange in ihrer Wohnung pflegen lassen konnte, nahm Lindh zum Anlass, zu sagen: „So vielfältig wie die Biografien, so vielfältig seien die Wege, die Angehörige bei der Pflege gehen. „Die politische Aufgabe ist es, diese Wege möglich zu machen.“
Weitere Themen waren die Kosten der Ausbildung, fehlende Unterstützung von pflegenden Angehörigen, unterschiedliche Bewertung der Zusammenlegung der Ausbildung in Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege sowie die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland. Kontrovers wurde auch die Idee eines sozialen Pflichtjahres diskutiert, um mehr junge Menschen für soziale Berufe zu interessieren. Die zahlreichen Zuschauerbeiträge zeigten, wie groß das Thema ist. Deshalb werde er, hatte Helge Lindh zu Anfang angekündigt, das Thema auch noch häufiger aufgreifen.