Blick in verborgene Welten Die Wupper schäumt aus der Talsperre

Die Wuppertalsperre ziwschen Radevormwald und Remscheid versorgt den Fluss mit Wasser und schützt auch Wuppertal vor Überflutung.

Foto: Andreas Fischer

Bergisches Land. Das Wasser schäumt und brüllt, während es sich in einem riesigen weißen Schwall in die Wupper ergießt. Feine Nebelschwaden steigen über dem künstlichen Wasserfall auf. In den winzigen Tröpfchen bricht sich das Licht in den Farben des Regenbogens. Nur einige Meter von dem tosenden Strudel schaukelt ein Schwan auf den seichten Wellen des Flusses.

„Das Wasser schießt mit 14 000 Litern pro Sekunde kegelförmig aus der Anlage heraus und bricht sich mehrfach an den stabilen Betonwänden. Unter der Wasseroberfläche sind Betonklötze in das Becken eingelassen, um genügend Energie herauszunehmen, damit es ruhig im Wupperbett weiter fließt,“, schreit Talsperrenmeister Michael Glaubitz, gegen das Tosen des Wassers an. Die künstlichen Wupperfälle unterhalb der Wuppertalsperre in Radevormwald-Wilhelmstal sind derzeit nur sichtbar, weil die Wasserkraftanlage außer Betrieb ist. „Denn der Turbinenauslauf ist unter der Oberfläche und gar nicht zu sehen.“

Der beißende Geruch nach Motorenöl erfüllt den Generatorenraum. Schmierig glänzende Metallteile stapeln sich in der Halle aufeinander. Dazwischen ragt der Generator als rote Rakete, wie zum Start bereit, in Richtung Dach. „Unter der Schwungscheibe sitzt die Turbine“, sagt der Stationsverantwortliche Markus Reich und deutet am Rand einer runden Öffnung abwärts auf eine massive Metallplatte, die entfernt an eine überdimensionale Schallplatte erinnert. Ein schepperndes Hämmern dringt hohl von unten herauf und verrät die unsichtbaren Arbeiter.

Draußen verschluckt das wütende Brausen des wilden Wassers jedes Geräusch. Es scheint aus dem Nichts zu kommen, die angestaute Wupper ist von den tieferliegenden Gebäuden aus nicht zu sehen. Der Blick gleitet den grünen Hügel hinauf und bleibt an seinem Kamm zwischen Himmel und Erde hängen.

Unten stemmt Markus Reich die schwere Stahltür auf und geht ins Dämmlicht des langen Gangs voran. Seine Schritte hallen von den nackten Betonwänden wider. Dicke Rohre laufen rechts und links der Decke entlang. Ein dumpfes Röhren erfüllt den unterirdischen Umlauf. „Das ist die Entfeuchtungsanlage. Wir haben hier eine Temperatur von rund acht Grad Celsius. Im Sommer bildet sich viel Kondensat, daher müssen wir das Bauwerk belüften“, erläutert Markus Reich.

Kleine Rohre transportieren das Wasser, das in das Bauwerk einsickert, zum Tiefpunkt. Dort tropft es mit einem monotonen Platschen in ein Auffangbecken. „Eine Talsperre ist nie ganz dicht“, sagt der Fachmann. „Wenn wir hier einen Plastikkrug eine Minute drunter halten, wissen wir, wie viel Wasser wirklich heraus kommt“, sagt Markus Reich und zeigt auf das Rinnsal, das in der dunkel glitzernden Fläche zu seinen Füßen verschwindet. „Sollte die Menge ansteigen, müssen wir das Leck suchen.“

Einige Schritte weiter veranschaulicht ein Schema des Gebäudequerschnitts das Innenleben des Damms. Eine dicke schwarze Linie steht für den Asphaltkern, der sich über dem Betongang bis zur Krone erhebt. Eine gestrichelte Gerade gibt das Stauziel an. „Das liegt bei 252,50 Meter über Normalnull. Im Winter halten wir einen Hochwasserschutzraum von 14 Millionen Kubikmetern bereit“, erläutert Markus Reich die Grafik. „Im Moment beginnen wir wieder damit, die Wupper anzustauen, damit sie auch bei einer längeren Trockenzeit noch Wasser führt. Unser Referenzpegel ist die Kluser Brücke. Dort müssen 3,5 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durchfließen.“

Scheinbar endlos führt die Treppe Stufe für Stufe hinauf zum Tageslicht. Eine weitere schwere Stahltür führt ins Freie. Das gleißende Sonnenlicht blendet, der blaue Himmel und die breite Brücke spiegeln sich im unbewegten Wasser des großen Stausees. Eine Ente paddelt gemächlich vorbei, irgendwo schreit eine Krähe. „Dort drüben liegt das Windwerkshaus. Darin liegen die Absperrorgane“, sagt Markus Reich und deutet auf ein schmales Gebäude mit schrägem Dach, das am gegenüberliegenden Ufer aufragt.

Im Inneren geht es steil abwärts, 40 Meter tief. Unten schimmert dunkel das Wasser. Solide hydraulische Stelzen halten den Schieber wie die Rampe einer Fähre fest geschlossen. „Von hier aus braucht das Wasser fünf Stunden bis nach Wuppertal. Im Sommer sogar noch ein bisschen länger — je nachdem, wie viel wir ablassen“, sagt Michael Glaubitz. Dicke Rohre leiten das Wasser sonst unterirdisch zum Kraftwerk, lassen es über die Turbine fließen, die den Generator antreibt. „Der erzeugt unter Volllast 1,25 Megawatt-Stunden Strom“, sagt der Talsperrenmeister.

Da die Turbine gerade auf dem Trockenen liegt, schießt das Wasser durch Ringventil und Kugelstrahlschieber direkt in die Wupper. Tosend bricht es sich an den Betonwänden und ergießt sich mit einem nicht versiegenden Schwall in den ruhig dahingleitenden Fluss.