„Diskriminierung lassen wir in Wuppertal nicht zu“

Diakoniedirektor Martin Hamburger zur Situation der Tafeln.

Foto: Anna Schwartz

In die aktuelle Diskussion rund um die Essener Tafel, die bedürftige Migranten bei der Ausgabe von Lebensmitteln nicht mehr berücksichtigen will, schaltet sich nun auch Martin Hamburger, Direktor der Diakonie, ein. Die WZ veröffentlicht seine Stellungnahme im Wortlaut:

Die Menschen, die aus anderen Ländern zu uns nach Deutschland, nach Wuppertal kommen, haben ihre Gründe. Politische oder religiöse Verfolgung, zerstörte Dörfer und Städte, wirtschaftliche Not. Was auch immer sie antreibt, ihre Heimat zu verlassen, es sind Menschen: Männer und Frauen, Kinder und Jugendliche. Und wir sind in unserer Stadt zurecht stolz auf die Toleranz, jedem Migranten mit Respekt und einladend zu begegnen. Multikulturalität prägt unser Stadtbild.

Das andere gilt allerdings auch: Migrantinnen und Migranten bringen eigene Umgangsformen mit, zum Beispiel im Umgang von Männern und Frauen; manches befremdet uns und wir müssen es akzeptieren, aber es gibt auch Grenzen unserer Toleranz: Diskriminierung lassen wir in Deutschland, auch in Wuppertal, nicht zu. Gewalt, mit beleidigenden Worten oder handfesten Taten, ist strafbar. Das gilt überall, zum Beispiel wenn man darauf angewiesen ist, an einer Ausgabestelle der Tafel anzustehen oder wenn man als Wohnungsloser kein Dach über dem Kopf hat. Das gilt unabhängig davon, ob man in unserer Stadt oder in Syrien, in Afghanistan oder einem afrikanischen Staat geboren und aufgewachsen ist.

Armut hat viele Gesichter, und Bedürftige dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. In unserer Stadt leben viel zu viele Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können, ein Skandal für ein reiches Land wie das unsrige. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung kümmern wir uns deshalb als Diakonie, zusammen mit anderen Verbänden und Vereinen darum, dass jedem ein menschenwürdiges Leben ermöglicht wird. Da stößt man als Helfer aber schon mal an seine Grenzen und erntet nicht immer nur Dankbarkeit, sondern auch Anspruchshaltung und kühle Berechnung: Wie erhalte ich Geld, Lebensmittel oder andere Leistungen? Und es kann nicht angehen, dass große Mengen an Lebensmitteln von der Tafel an der nächsten Ecke verkauft werden — wie offenbar in Essen geschehen. Das müssen wir leider ehrlich zur Kenntnis nehmen und hier müssen wir gegensteuern.

Die Vorstellung, Flüchtlinge und Migranten seien ausschließlich gute, dankbare Menschen, ist Ergebnis einer Projektion unserer Vorstellung von Dankbarkeit auf die Bedürftigen, die der Realität nicht unbedingt entspricht. Doch gerade in dieser Ehrlichkeit muss sich die Toleranz bewähren. Der Respekt vor der Würde eines jedes einzelnen Menschen erlaubt keine pauschalen Diffamierungen von ganzen Menschengruppen, stammen sie aus Nordafrika, dem vorderen Orient, aus Osteuropa oder den Weiten Asiens. Ehrlichkeit und Toleranz gehören zusammen, und wir sind alle gefordert, andere Wege, als die der pauschalen Ausschlüsse, zu finden, um unsere Werte leben zu können und dabei Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund ihren Platz zu lassen.