Helfender Arzt Ein Arzt in Afrika: Operationen und Gitarrenunterricht in Mosambik
Barmen. · Dr. Alfred Klassen, Oberarzt im Petruskrankenhaus, fliegt jedes Jahr für einen Monat nach Afrika, um zu helfen.
Nach seinen bisherigen medizinischen Einsätzen im Sudan, Südsudan, Peru, Mali, Burundi und Mosambik stellt Dr. Alfred Klassen, Oberarzt des Petrus-Krankenhauses, eins fest: „Getan ist es noch lange nicht.“ Seine Reisen begann er 1992 als junger Arzt, als es für ihn von Paraguay nach Deutschland ging. Über das „Kinderwerk Lima“ (einer in Peru und Paraguay tätigen Hilfsorganisation) bekam er einen Ausbildungsplatz in Heidenheim an der Brenz vermittelt, wo er Facharzt für Chirurgie wurde.
Doch den großen Schritt machte Klassen 1999, als der gebürtige Uruguayer gemeinsam mit seiner Familie für vier Jahre nach Mosambik zog. Über die Organisation „Christliche Fachkräfte International“ arbeitete er in einem staatlichen Krankenhaus in Cuamba, Provinz Niassa, im Norden Mosambiks. In erster Linie als Chirurg und Gynäkologe, aber auch als Allgemeinmediziner, Pädiater - und machte, was sonst noch anfiel. In der Gesamtzeit habe Klassen etwa 3000 Menschen operiert.
„Vor Ort wird alles gemacht was anfällt. OPs, Verhütungskampagnen, Gitarrenunterricht und mit meiner Frau zusammen ehrenamtliches Engagement bei den verschiedenen evangelischen und der katholischen Kirchen. Vor allem bildete ich aber auch die Helfer vor Ort aus“, berichtet er.
Klassen sieht es als seine Aufgabe zu helfen. Das Prinzip, etwas zu geben, sei für den Oberarzt ganz normal. Bildung und christlicher Glaube sind für ihn dabei seine Wegweiser. „Ich tue das für alles, was ich bekommen habe. Ich kann nichts dafür, dass ich in meiner Kindheit viel Bildung erleben durfte.“ Aber das wichtigste sei, dass er was zurückgeben könne, beschreibt Klassen.
Auch wenn es den in Paraguay aufgewachsenen Arzt einiges gekostet hatte, seine Karriere für die Unterstützung der Mosambikaner damals aufzugeben, hindere es ihn nicht, weiterhin an seinen Zielen festzuhalten. „Aber Engagieren kann auch zu Konflikten führen“, so Klassen. Die vier Jahre in Mosambik verschlossen ihm schon die üblichen Zukunftsaussichten in Deutschland. Damals wäre ihm das seltsam vorgekommen, aber er habe es akzeptiert.
Aus der Motivation heraus, helfen zu wollen, fliegt der Oberarzt seit 2013 jedes Jahr für einen Monat nach Afrika: „Zuhause mache ich als Notarzt Extrastunden, um nach Afrika fliegen zu können. Aber dafür lebe ich“, so Klassen. Auch seiner Familie sei er dankbar, dass sie hinter ihm stehe. Denn es sei nicht immer einfach loszulassen. Doch was er tue, sagt er, sei letztendlich für ihn das Richtige: „Die Menschen brauchen Hilfe, und mein Herz habe ich in Afrika verloren.“
Im Jahr 2005 machte er seinen ersten Kurzeinsatz. Mit der Organisation „humedica“ versorgte er ein Flüchtlingslager in der sudanischen Region Darfur. Die Organisation entsendet medizinische Teams in die Stadt Nyala, um den Binnenflüchtlingen in den Camps der Umgebung die dringend benötigte Hilfe zukommen zu lassen. Vier Wochen lang machte er Erfahrungen, die ihn, wie er sagt, nie wieder loslassen werden. Denn die Not, über die wir im Westen klagen mögen, könne plötzlich so nebensächlich erscheinen, so Klassen. Man könne es keinem verübeln. Aber man wünsche jedem Menschen eine Erfahrung, die ihm die Realität mehr vor Augen führe, ergänzt er.
„Oft bekomme ich zu hören, dass es nicht nahhaltig sei, was ich mache“, so Klassen. Kann so eine Operation das Leben der Menschen wirklich verbessern? Zunächst überleben sie, das sei doch schon mal was. „Einmal habe ich ein fast 16-jähriges Mädchen operiert, noch in Mosambik, und ein paar Jahre später, bei einem Besuch, habe ich sie im Krankenhaus wieder getroffen: als Stationsschwester“, so Klassen.
In Deutschland sei er nach seiner Rückkehr ins Bergmannsheil nach Bochum gekommen, direkt auf die Intensivstation. In einer Überschlagsrechnung summierte er einmal alle Medikamente, die er selber in einer Woche verabreicht hatte, mit eigener Hand: 100 000 Euro. Das war genau die Summe, die sein vierjähriger Aufenthalt, mit Familie in Mosambik gekostet hatte. In Afrika konnte er damit ein paar mehr Menschen das Leben retten.
Auch in Zukunft wird Klassen sich weiterhin für bedürftige Menschen einsetzen. Von Deutschland aus könne ebenfalls was getan werden, so der Unfallchirurg. Mit der Aktion Canchanabury, die ihren Sitz in Bochum hat, werden funktionsfähige Geräte und Materialien in verschiedene Krankenhäuser nach Sudan, Südsudan, Togo und Uganda gebracht, unter anderem auch nach Gidel in das „Mother of Mercy Hospital“ zu Dr. Tom Catena (die WZ berichtete vor zwei Wochen davon; Dr. Klassen hat ihn dort 2015 für drei Wochen ersetzt, quasi als Urlaubsvertretung).
Nach dem Motto „Entwicklung durch Gesundheit“ möchte die Organisation auch den Ärmsten der Armen Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung und Bildung ermöglichen. Bei seinen Afrikareisen versucht Klassen auch immer, die Leute zu motivieren, die tagein tagaus dort ihre Arbeit tun, ohne großen Lohn. Vor allem ein Gefühl muss den Menschen vermittelt werden: „Man gibt uns das, was wir brauchen und nicht, was nichts taugt“, gibt Klassen wieder.
Im Januar stand ein
Schulprojekt an
Die letzte Reise im Januar 2019 war einmal etwas ganz anderes: ein Schulprojekt mit dem Kinderwerk Lima, das in Burundi eine Schule aufgebaut hat. Zusammen mit zwölf Freiwilligen aus Paraguay hat er zwei Wochen Wände gestrichen, Küche umgebaut, unterrichtet, beraten: So schließt sich irgendwie der Kreis. Oder bekommt eine neue Ausrichtung. Letzten Endes sei nicht wichtig, ob jemand weit reist, um Menschen in Not zu helfen. „Auch vor der Haustür brauchen Leute Hilfe.“ Und da könne jeder etwas tun, sagt Klassen.