Wuppertaler Geschichte Ein besonderer Fall von Majestätsbeleidigung
Wie 1848 am Hofkamp der König zu Bruch ging.
Mitte Oktober 1848 erscheint auf dem Elberfelder Polizei-Kommissariat der Anstreicher Johann Peter Baum und erstattet Anzeige gegen einen gewissen Julius Menadier. Der habe im Hinterhof einer Kneipe des Schankwirtes H. am Hofkamp doch tatsächlich die Porzellan-Büste von Friedrich Wilhelm IV, dem preußischen König zunächst frech ergriffen und dann gewaltsam zerstört. Und zwar so: Zunächst habe er den Kopf des Monarchen, also dessen Abbild, einfach brutal auf das Pflaster geknallt und dabei in tausend Stücke zerlegt. Unerhört. Gehört habe besagter Baum aber später noch vom Bekannten eines Bekannten, dass auch die Büste des verstorbenen Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III das gleiche desaströse Schicksal erlitten hätte. Wie lässt sich ein solcher Fall von antimonarchischem Furor in den aufgeregten Tagen des Jahres 1848 erklären, das auch im Wuppertal später den Ruf eines „tollen Jahres“ genießen sollte? Alkohol? Übermut? Vandalismus? Delinquenter Einzelfall oder Ausdruck von politisch sozialem Protest? Vielleicht von allem etwas. Das überlieferte Polizeiprotokoll jedenfalls ist eine dieser eher seltenen historischen Quellen, die punktuelle Einblicke in die Lebenswelt von einfachen Leuten gestatten, wenn auch nur durch die Brille der Obrigkeit. Milieus, die oftmals nur in Polizeiberichten greifbar werden, deren Verhältnisse ansonsten aber stumm bleiben. Und die Quelle ist noch auf andere Weise bemerkenswert.
Der historische
Hintergrund
Dieser besondere Fall von Majestätsbeleidigung, der eine empfindliche Strafe nach sich zog, ereignete sich nämlich nicht nur am Geburtstag des preußischen Monarchen, sondern gerade einmal wenige Wochen nach dessen umjubeltem Besuch in Elberfeld. Mitte August 1848 war auch in Preußen die zunächst scheinbar so erfolgreiche bürgerliche Revolution „vor den Thronen stehen geblieben“ und – nach anfänglichen liberalen Zugeständnissen der Fürsten und Monarchen – gescheitert. Reaktion und Militär auf dem Vormarsch. Als Sinnbild dafür galt besagter preußischer König. Hatte im benachbarten Düsseldorf der dortige Stadtrat den Empfang des reaktionären Monarchen auf der Durchreise nach Köln noch rundherum abgelehnt, empfing man ihn in Elberfeld zutiefst loyal in einem Fahnenmeer aus preußischem Schwarz-weiß, Nationalhymne inklusive. Der Repräsentant des semi-absolutistischen preußischen Systems, der alten feudalen Eliten und des rigiden Überwachungsstaates sollte nur wenige Monate später die demokratischen Kräfte im Lande blutig niederschießen lassen, die vom Parlament der Frankfurter Paulskirche ausgehandelte, erste quasi-demokratische Verfassung als Ausdruck eines „Dreck aus Lettern“ und die ihm angebotene Krone eines deutschen Kaisers als „Hundehalsband“ ablehnen. Das Aus für die Revolution. Den Rest erledigte preußisches Militär.
Was der Gewaltausbruch in der kleinen Kneipe am Hofkamp in Ansätzen bereits vorwegnahm, erfasste nur wenige Monate später, Anfang Mai 1849 in Elberfeld den gesamten öffentlichen Raum. Der soziale und demokratische Protest gegen ein verkrustetes politisches und gesellschaftliches System ging auf die Straßen. Barrikaden und rote Fahnen inklusive. Es war ein kurzes, aber spektakuläres Intermezzo, gleichsam ein letztes Zucken der demokratischen Revolution in Deutschland, wo sich diese Tradition später nur schwach ausbilden konnte. Auch ein gewisser Friedrich Engels spielte in diesen aufregenden Tagen des „roten Elberfelder Rathauses“ im Mai 1849 eine Rolle. Doch davon mehr beim nächsten Mal.