Stadtjubiläum Elektromobilität im ÖPNV gibt’s schon: Der Obus in Wuppertal

Im Herbst 1949 belebte ein neues Verkehrsmittel die Straßen Wuppertals: der Oberleitungsomnibus, kurz Obus genannt und in jener Zeit im Ruf stehend, ein besonders modernes Verkehrsmittel zu sein.

Flott und leise am Berg: Ein Obus der Linie 10 nähert sich auf dem Weg nach Ronsdorf der Haltestelle Freiligrathstraße.

Foto: Wolfgang R. Reimann

Erfinder des elektrisch betriebenen Straßenfahrzeugs war Werner von Siemens persönlich. 1882 experimentierte er in Wilmersdorf bei Berlin mit seiner „Elektromote“, einem kutschenartigen Fahrzeug, das seinen Strom über eine zweipolige Fahrleitung bezog. Es dauerte noch ein paar Jahrzehnte, ehe die Zeit reif war für die „gleislose Bahn“; erst ab den 1920er Jahren erlangte sie Serienreife. In Deutschland fuhren die ersten modernen Obusse ab 1930 zwischen Gruiten und Mettmann. Da Obusse mit heimischer Energie fahren und mit geringeren Investitionen auskommen als Schienenbahnen, war die Zeit in Deutschland günstig für das neue Verkehrsmittel, das ab 1937 die Straßenbahnen in einigen kleineren Städten ablöste. Zu dieser Zeit waren in Wuppertal die Linie nach Küllenhahn und Elberfeld - Wichlinghausen - Oberbarmen im Gespräch. Ebenso sollte eine Obuslinie die veraltete Straßenbahn entlang der Talsohle ersetzen.

Der Zweite Weltkrieg unterbrach alle derartigen Überlegungen. Nach dem Krieg befand sich der Autobusbetrieb wie die gesamte Stadt in einem beklagenswerten Zustand. Infolge von Kriegsverlusten, Reifen- und Treibstoffmangel waren nur noch wenige Wagen einsetzbar. Eine der wenigen noch befahrenen Autobuslinien war die Linie 26 Oberbarmen - Beyenburg, die große Bedeutung hatte für den Berufsverkehr zu den Firmen entlang ihres Linienweges.

Als nach der Währungsreform 1948 wieder Investitionen möglich waren, entschieden sich die Wuppertaler Stadtwerke, auf dieser Linie den elektrischen Betrieb einzuführen. In nur fünf Monaten hatte man entlang der 7,7 km langen Strecke Masten gesetzt, Fahrdrähte gespannt und eine Stromversorgung aufgebaut, so dass am 1. Oktober 1949 der Linienverkehr aufgenommen werden konnte. Die Wagen fuhren werktags alle 15 Minuten bei einer Fahrzeit von 18 Minuten.

Der Verkehr entwickelte sich gut, und besonders an Wochenenden musste der Fahrplan verstärkt werden. Für Beyenburg war die regelmäßige Anbindung an „die Stadt“ geradezu eine Offenbarung, denn sowohl die bisherige Buslinie als auch die Eisenbahnstrecke fuhren nach einem sehr sparsamen Fahrplan. Der Erfolg ermutigte die WSW, den Obusbetrieb auszubauen. Schon ab dem Heiligabend 1950 fuhren Obusse auf der Linie 24 Oberbarmen – Schellenbeck, und ab dem Herbst 1952 auch nach Jesinghausen.

Neu waren jetzt Wagen in moderner Fahrgastfluss-Bauweise mit Pneumatik-Türen und sitzendem Schaffner. Ab 1956 ergänzten zwei Anderthalbdecker-Obusse mit einem Fassungsvermögen von 150 Fahrgästen die Fahrzeugflotte. Nach dem Hin und Her um die Bergbahn-Nachfolge entschieden die WSW im Oktober 1957, Bergbahn und die anschließenden Straßenbahnlinien durch Obusse zu ersetzen.

Erheblich kürzere Fahrzeit
als die Straßenbahn

Zwar konnte der Obus nicht der direkten Linie der Zahnradbahn folgen, ermöglichte aber eine gegenüber der Straßenbahn erheblich kürzere Fahrzeit auf der kurvenreichen Strecke der Straßenbahnlinie 4, der „Forsthausbahn“. Ab dem 5. Juli 1959 fuhr die neue Obuslinie 10 zwischen Barmen, Alter Markt und Lichtscheid über Wupperfeld und Toelleturm, die ein Jahr später bis Ronsdorf verlängert wurde. In der ersten Hälfte der 1960er Jahre betrieben die WSW in Oberbarmen (Wichlinghausen und Heckinghausen mitgerechnet) elf elektrisch betriebene Linien: Sechs Straßenbahn-, vier Obuslinien und die Schwebebahn. Eine weit fortgeschrittene Elektromobilität!

Mehr als 5,7 Millionen Fahrgäste fuhren 1961 mit den Obussen, 6,2 Prozent der gesamten Beförderungszahl der WSW in jenem Jahr. Die Netzentwicklung hatte einen Abschluss gefunden, weitere Linien wurden nicht mehr verwirklicht. In den meisten deutschen Städten war dem Obus keine große Zukunft mehr beschieden. Neue Wagen standen auf dem deutschen Markt nicht mehr zur Verfügung, Dieselbusse gab es dagegen reichlich und standen in Leistung und Komfort den Obussen kaum noch nach.

Die Stadtwerke Solingen halfen sich in dieser Situation ab 1968 mit einer interessanten Eigenentwicklung. Die Wuppertaler Stadtwerke unternahmen nichts Vergleichbares. Anders als in Solingen hatten übrigens die Obusse in Wuppertal keinen Hilfsantrieb und mussten auch über kleinste Entfernungen geschleppt werden, wenn kein Fahrdraht vorhanden war.

Das Ende kam 1969 mit der Einstellung der Straßenbahn zwischen Langerfeld und Schwelm, die die Obuslinie 24 zur Dieselstraße „mitriss“. Es folgten weitere Strecken, und schließlich schnurrten auf der Linie 24 Oberbarmen - Schellenbeck-Dellbusch die leisen, flotten Obusse letztmalig am 27. Mai 1972 über die kurvige und hügelige Strecke. Sicherlich hatte der Obus als kleinster Betriebsteil nach Schwebebahn, Bus und Straßenbahn auf den Prüfstand gehört.

Allein der Erhalt einer eigenen Fahrleitungsanlage und Stromversorgung stellte bei einer Streckenlänge von nur 24 Kilometern eine Herausforderung dar. Die Nachbarstadt Solingen hielt am Obus fest, der dort alle wichtigen Hauptlinien bedient. Neueste Entwicklung ist der Batterie-Obus (BOB), der auf hochbelasteten Kernstrecken unter dem Fahrdraht fährt, auf schwächer belasteten Außenästen mit Batterie. Ein interessanter Ansatz. Wie würde man wohl heute in Wuppertal entscheiden, wenn... ?