Bis Ende September Elf neue Kunstwerke für die Wuppertaler Urban Art Gallery

Wuppertal · Diese Kunstwerke kann man bereits im Tal bewundern.

 Augen auf: An der Brucher Straße setzte der spanische Künstler Adrián Pérez Vázquez alias Manomatic dem Automatismus des menschlichen Alltags ein Denkmal. Einfah schauen, wirken lassen und mitnehmen.

Augen auf: An der Brucher Straße setzte der spanische Künstler Adrián Pérez Vázquez alias Manomatic dem Automatismus des menschlichen Alltags ein Denkmal. Einfah schauen, wirken lassen und mitnehmen.

Foto: Anna Schwartz

Die Fassadenkunst der Stadt bekommt Nachwuchs. In diesem Jahr entstehen elf neue Kunstwerke an Hausfassaden in Wuppertal. Sie erweitern damit das „Open Air Museum for Urban Art“, das unter dem Namen „Urbaner Kunstraum Wuppertal“ fungiert und 2023 als Projekt des gemeinnützigen Vereins „Wupper One 929 Urban Art“ begann.

Seit Anfang des Monats sind nun die ersten Neuschöpfungen in Arbeit. Den Auftakt macht derzeit der aus Paris stammende Künstler Antoine Sitruk, der unter seinem Künstlernamen Hektor eine Fassade an der Unteren Lichtenplatzer Straße 24 gestaltet. „Präzise, kontrastreich und farbenfroh oszilliert das Werk des Multitalents zwischen Figuration und Abstraktion und erzählt von Menschen, Natur und Industrie“, heißt es seitens der Organisatoren.

Zur Inspiration habe es im Vorfeld ein Gespräch mit dem Barmer Verschönerungsverein gegeben, „dem Hüter der Barmer Anlagen“, berichtet Valentina Manojlov, Gründerin und künstlerische Leiterin. „Wir haben einen grünen Blick auf unsere Heimatstadt geworfen“, der als Grundlage für das nun entstehende Werk dienen wird. Bis Ende September realisieren Künstler unter anderem aus Sydney, Kiew, Lugano und München weitere haushohe Werke, die letztlich alle 24 Quartiere umfassen sollen. Dazu gehören unter anderem die Bockmühle in Heckinghausen, die Ronsdorfer Straße am Grifflenberg sowie die Ernststraße am Arrenberg.

Neun Wandmalereien, sogenannte Murals, entstanden in der ersten Phase des Projektes im vergangenen Jahr. „Die Menschen sollen sich im öffentlichen Raum mit Kunst auseinandersetzen können“, erklärt Manojlov das Konzept. „Nicht in der Galerie, nicht in privaten Hinterhöfen, sondern an Orten, zu denen jeder Zugang hat.“ Etwa an der Hofaue 49, an der unmittelbar die Schwebebahn vorbeifährt und den Blick auf gleich zwei Werke ermöglicht: Auf der linken Seite schuf das aus Argentinien stammende Street-Art-Duo Medianeras, das in Barcelona lebt, das Bild „Identity“. Es zeigt eine in Gedanken vertiefte, fast in Meditation ruhende Frau, die ihre Maske abstreift.

„Um die Ecke befindet sich das Tanzstudio Urban Art Complex“, beschreibt Valentina Manojlov den Prozess. „Die Tänzerinnen und Tänzer haben überwiegend einen Migrationshintergrund. Selbst wenn sie hier aufgewachsen sind, werden sie zunächst mit der Wahrnehmung konfrontiert, nicht dazuzugehören.“ Mit dem Hiphop haben sie eine Ausdrucksform gefunden, in der sie ihre Persönlichkeit ausleben können und dadurch Anerkennung erhalten. „Tanz ist die verborgene Sprache der Seele“, sagte schon die US-amerikanische Choreografin Martha Graham.

Blind sein für das Wesentliche und abhängig von Zwängen?

Das Werk auf der rechten Seite des Gebäudekomplexes stellt das genaue Gegenteil dar: Das Gesicht eines Falken ist mit einer Haube umschlossen. Oberflächlich betrachtet, soll sie ihm Stress ersparen, doch in Wirklichkeit nimmt sie ihm die Freiheit und Eigenständigkeit, zumal Falken eine extrem gute Sehkraft besitzen. „Eigentlich ist der Falke ein freies Tier, der durch die Lüfte fliegen kann, wie es ihm beliebt.“ Doch werde er vom Menschen abgerichtet und durch die Haube blind gemacht. Blind sein für das Wesentliche? Sich abhängig fühlen von den Zwängen der Arbeit, der Gesellschaft, des Lebens? Der Interpretationsspielraum ist groß, auch wenn der Titel des Werkes des US-Künstlers Nils Westergard unmissverständlich ist: Es heißt „Dominion“, Herrschaftsrecht. Freiheit sei auch für die ausführenden Künstler wichtig, betont die Initiatorin: „Die besten Arbeiten entstehen nicht durch Druck, sondern durch freie Entfaltung.“

Für die aktuelle Realisierungsphase des urbanen Kunstraums sucht der Verein in Wuppertal noch eine große Wand. Eine sehr große: „Wir brauchen ein Hochhaus.“ Die Höhe sollte etwa 30 Meter betragen, die Fläche ungefähr 500 Quadratmeter umfassen und möglichst wenige Fenster beinhalten. „Sonst wären nur Ornamente möglich, aber keine figürliche Darstellung.“ Wichtig sei zudem, dass es sich nicht um eine Fassade handle, die Asbest enthalte, „denn das werden wir keinem Künstler antun“. Bereitstellen müsse der Eigentümer nur die Wand, Wasser und Strom sowie die Gewährleistung, dass das Kunstwerk fünf Jahre bestehen bleibt. Das muss der Verein, dessen Projekt vom NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung gefördert wird, garantieren.

Unterdessen fiel im Juli der Startschuss für das parallel laufende Projekt der „Pina Bausch Gallery“ (die WZ berichtete). Hier werden 17 Hauswände von Künstlern gestaltet, die sich mit Stücken der Wuppertaler Choreografin auseinandersetzen. Sie stammen jeweils aus der Stadt, die Pina Bausch als Inspiration für ihre Tanzstücke nutzte und deren Charakter auf die Bühne brachte – von Tokio bis Los Angeles.

Valentina Manojlov sieht die Arbeit insgesamt als Stadtprojekt – gerade durch die vielen Unterstützer aus den einzelnen Bezirken: „Wuppertaler sind ja gerne mal etwas mopperig, aber diese Projekte feiern sie echt. Danke, Wuppertal!“