Offen gesagt Elfmeter verschossen
Der Ball lag auf dem Punkt, der Torwart hatte sich schon für die falsche Ecke entschieden — aber Wuppertal hat den Elfmeter verschossen. Schade eigentlich.
Ja, es ist nicht einfach, aus der eigenen Haut zu entschlüpfen. Alles ist so bekannt, gewohnt, manchmal sogar richtig kuschelig. Da stört Neues nur, da sind die ausgetretenen Pfade viel gemütlicher. Deshalb tut sich nichts in den öffentlichen Chefetagen. Ein Mann geht, ein Mann kommt. Dabei soll es für die Nachfolge von Wolfgang Herkenberg als Chefanzünder der Wuppertaler Müllverbrennung eine wirklich gute Kandidatin gegeben haben. Aber nein, am Ende kam es, wie es kommen musste. Müll ist nix für Frauen. Da können sie noch so zielgenau studiert und sich noch so beeindruckend beworben haben: Müll ist schmutzig, und schmutzig ist nichts für Mädchen. Außerdem sind die Müllleute ja auch hartgesotten und keine Kinder von Traurigkeit. Wie soll sich eine Frau da auf dem Hof durchsetzen?
Nein, diese Kritik ist keine Kritik am Nachfolger Herkenbergs. Er hat seit Jahren als Stellvertreter des Chefs gute Arbeit geleistet und dazu beigetragen, dass die Müllverbrennungsanlage nach Turbulenzen wieder schwarze Zahlen schreibt. Das verdient Respekt und Anerkennung. Dennoch wäre jetzt ein guter Zeitpunkt gewesen, die guten alten Brennkessel mit neuen Impulsen zu speisen. Die Zeiten ändern sich, das Abfallverhalten der Menschen ändert sich. Die Anforderung an Umweltschutz und Energiegewinnung ändern sich. Die Welt bleibt nicht stehen. Auch in Wuppertal nicht — abgesehen von Korzert. Dort hat der bisherige Brandmeister die Handbremse angezogen, indem er das von ihm zu räumende Feld für seinen Nachfolger bestellte, nicht für eine Nachfolgerin.
Nun wird es auch Leute geben, welche die Kontinuität bejubeln, mit der Wuppertals MVA in den nächsten vermutlich acht Jahren noch geführt wird. Aber vielleicht hätten neues Denken und neues Handeln auch neue Chancen eröffnet. Dieser Weg ist nun vorläufig versperrt. Dabei hätte Wuppertal wieder einmal aufhorchen lassen können. So viele Frauen an der Spitze von Müllverbrennungsanlagen in Deutschland dürfte es bestimmt nicht geben. Andererseits ist Wuppertal auch die einzige Stadt in Deutschland mit einem gewählten Bürgerbeteiliger. Aber das ist ein anderes Thema.
Der Umgang mit der Spitzenposition in der städtischen Abfallwirtschaft zeigt, dass Wuppertal doch noch nicht ganz so weit ist, wie sich viele in der Stadt das wünschen. Mit der Forderung nach mehr Emanzipation hat das übrigens nichts zu tun. Die sollte im Jahr 2016 eigentlich selbstverständlich sein. Es ist purer Pragmatismus, wenn die wichtigsten Positionen in Städten und kommunalen Unternehmen mit den besten Leuten besetzt werden, unabhängig davon, ob sie Peter oder Petra heißen. Auf viele junge Frauen an Wuppertals Universität dürfte der Ausgang des Verfahrens auf Korzert irritierend, wenn nicht sogar deprimierend wirken. Sie werden sich in absehbarer Zeit nämlich selbst um Führungspositionen bemühen. Wenn sie dabei um Wuppertal einen großen Bogen machen, sollte niemand überrascht sein.
Mit anderen Worten: Wuppertal hat mit dem Elfmeter nicht nur das Tor des Gegners verfehlt, sondern auch noch das eigene getroffen. So wird das nichts mit dem Europameistertitel. Das reicht noch nicht einmal für die Regional- liga.