Erinnerungen an das Unfassbare: Leser über die Bombennacht
Zahlreiche Leser sind dem Aufruf der WZ gefolgt und haben der Redaktion Fotos und persönliche Zeilen zu den Wuppertaler Bombennächten vor 70 Jahren geschickt.
Wuppertal. Dieser Monat steht im Zeichen der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg: Die Bombenabwürfe im Mai und Juni 1943 haben Wuppertal über Nacht für immer verändert — in den Köpfen wie auch im Stadtbild. Die WZ lässt in den nächsten Wochen Zeitzeugen zu Wort kommen, die der Redaktion Briefe, E-Mails und Fotos geschickt haben.
In ihren Erinnerungen beschreibt WZ-Leserin Gertrud Mankel (89) sehr anschaulich, wie sich die Lage bis zu den Luftangriffen zuspitzt: Auch ihre Elberfelder Hausgemeinschaft folgt der Anordnung, den Speicher unter dem Dach für den Fall der Fälle zu entrümpeln, Löschsand in Kisten zu lagern und in jeder Etage eine Wanne oder Eimer mit Wasser zu füllen. Den Angriff auf Barmen erlebt die Tochter eines Bäckers mit ihren Nachbarn: „Mit großer Angst hockten wir, alle Hausbewohner, im Keller und hörten die Detonationen der Bomben, die auf Barmen fielen. Alle hatten Angst und zitterten.“
Doch das ist erst der Anfang: Die Bombennacht in Elberfeld übersteht Gertrud Mankel am 25. Juni 1943 im Bunker am Döppersberg am Standort des heutigen Busbahnhofs: „Von draußen strömten immer mehr Menschen in den Bunker, mit der Nachricht: Es sind Christbäume am Himmel.“
Der Lichtmarkierung für die Bomber folgt Todesangst: Der Bunker wird zweimal getroffen, das Licht geht aus, und als die Notbeleuchtung anspringt, ist ein Riss an der Decke zu sehen. Am Morgen Entwarnung in den Straßenzügen voller Flugasche. „Unser Vater war zu Hause geblieben, um zu retten, was zu retten war. Aber er war mit weiteren sechs Menschen im Keller zu Tode gekommen“, schreibt die 89-Jährige abschließend. „Meine Mutter hatte ihren Mann verloren, mein Bruder und ich unseren Vater und das Zuhause. Warum?“
Der Redakteur Rolf Jasper aus Wolfenbüttel hat bereits zum Jahrestag 2012 einen Brief verfasst und „den Angriff auf Barmen noch in wacher Erinnerung, weil dabei mein Elternhaus in Remscheid-Lüttringhausen von mehreren Brandbomben und Phosporkanistern getroffen, völlig niederbrannte, nachdem wir den Keller verlassen hatten.“ Er betont auch, dass weder Ronsdorf noch Cronenberg zu den direkten Zielen des britischen Bomber Command gehört haben, es aus großer Höhe zu Bombenabwürfen auch dort kam, obwohl die Talachse getroffen werden sollte.
Die Redaktion bekam auch Post von Magdalena Otte, Jahrgang 1931: Sie erinnert sich an zwei schwere Bombenangriffe am 13. und 19. März 1945 auf Langerfeld, wo auch die Flugzeugfirma Espenlaub getroffen werden sollte: „Wir saßen im Luftschutzkeller darunter und verdanken unser Leben einem Blindgänger, der etwa sieben bis acht Meter von unserem Luftschutzkeller einschlug; aber eben nicht explodierte.“
als Trümmermeer Jutta Dicke erinnert sich in ihrem Brief an die Flucht in den Keller — und an das brennende Opernhaus. „Als die Bomber ihre Aufgabe erledigt hatten und es ruhig wurde, kam mein Vater und schloss uns überglücklich in die Arme“, schreibt Dicke. „Er erzählte von Menschen, die auf der Flucht vor dem Feuer durch den Funkensturm gelaufen und im flüssigen Asphalt steckengeblieben waren — und anderen, die sich brennend aus den Fenstern gestürzt hatten.“ Hans-Peter Siedenbiedel gehört zu den Lesern, in ihren Zuschriften Bilder für sich sprechen lassen: Seine Fotos zeigen die zerstörte Sternstraße und die Seifenstraße im Winter 1943 / 1944. Von Franz Todtenbier bekam die Redaktion ein Foto, das am Morgen nach dem Barmer Angriff in der Gernotstraße entstand — unter Lebensgefahr: „Das Fotografieren war streng verboten und wurde mit der Todesstrafe bedroht.“ Horst Blaudszun wiederum zeigt ein Bild der zerstörten Emilstraße nach dem Barmer Angriff.
Aus Haan schreibt Peter Malewski für seine Frau Ellen, Jahrang 1935: Sie erlebte den Barmer Angriff damals am Rütliweg gemeinsam mit ihrer Mutter, während ihr Vater an der Ostfront war. Bis heute halte sie es für ein Wunder, „aus dieser Hölle aus Feuern und Trümmern mit ihrer Mutter lebend herausgekommen zu sein“, schreibt Malewski: „Aus ihrem Gedächtnis kann sie die furchtbaren Bilder nie streichen.“