25 Jahre her Erinnerungen an den Schwebebahn-Absturz in Wuppertal
Wuppertal · Vortragsabend am Landgericht widmet sich dem Unglück, bei dem fünf Fahrgäste starben.
Am 12. April 1999 kam es in Wuppertal zu einem Unglück, das zuvor niemand für möglich gehalten hätte: Am frühen Morgen stürzte eine Schwebebahn in der Nähe der Haltestelle Robert-Daum-Platz in die Wupper. Fünf Fahrgäste starben, 47 wurden verletzt. Beim schwersten Unfall in der Geschichte der Schwebebahn versagte nicht die Technik, sondern der Mensch: Bauarbeiter hatten versäumt, an der Führungsschiene eine Metallkralle abzunehmen. Der Schwebebahnwagen prallte dagegen und fiel hinab.
Bis heute wissen viele genau, wie sie die Folgen des Unglücks erlebt haben. Eine Reihe von Zeitzeugen kam am Mittwoch im Landgericht am Eiland zu Wort – im Rahmen der Reihe „Herausragende Strafprozesse im Landgerichtsbezirk Wuppertal“. Rund 100 Zuhörer versammelten sich im Schwurgerichtssaal, in dem damals das Verfahren gegen die verantwortlichen Bauarbeiter und Mitarbeiter der Stadtwerke stattfand. Den Vortragsabend moderierte Wolfram Lumpe vom Wuppertaler Studio des Westdeutschen Rundfunks (WDR). Archivbilder und -filme, die im Saal über die Leinwände liefen, machten die damaligen Ereignisse anschaulich.
„Wenn das Wort Schwebebahnabsturz fällt, triggert mich das immer noch“, sagte Sascha Grenzdörfer im Interview mit Lumpe. Vor 25 Jahren traf der Polizist als einer der ersten an der Unglücksstelle ein. Es war dunkel und regnete, eiskalt war das Wasser der Wupper. Grenzdörfer sah Verletzte, die sich stumm vor Schmerzen Arme und Beine hielten, aber unaufhaltsam ans Ufer wateten. Polizisten und Feuerwehrleute zogen die, die sich selber nicht helfen konnten, aus den zerstörten Wagen. In dieser Ausnahmesituation habe er einfach nur funktioniert: „Das kann man nicht üben, nicht lernen“.
Dr. Hella Körner-Göbel war damals als Leitende Notärztin der Stadt vor Ort und koordinierte den Abtransport der Verletzten in die umliegenden Krankenhäuser. Deren Bergung sei „kein großer technischer Einsatz“ gewesen. In den Wochen danach habe sie allerdings unter der Frage „gelitten“, ob jede der von ihr getroffenen Entscheidungen richtig war.
In Erinnerung geblieben sind ihr auch die Gespräche mit Unfallopfern. Eine Frau habe sich etwa davor gefürchtet, die Augen zu schließen, weil sie dann wieder den Sturz in die Wupper durchlebte. Auf Anregung von Körner-Göbel wurde allen Betroffenen eine psychotraumatologische Hilfe durch Fachärzte angeboten. Die Kosten übernahmen die Wuppertaler Stadtwerke.
Christian Kindinger, heutiger Betriebsleiter der Schwebebahn, nannte die Ereignisse vom 12. April 1999 eine Mahnung für die Stadtwerke: „Es hat etwas mit den Menschen gemacht – und auch mit uns.“ In seinem Vortrag rekonstruierte er die Ursachen des Absturzes. Die vergessene Metallkralle habe die Schwebebahn binnen Sekunden ausgebremst, in der Folge seien die drei Fahrzeugteile auf die Seite gekippt, entgleist und abgestürzt.
Seit dem Unfall liefen Sanierungsarbeiten an der Schwebebahn deutlich anders ab, betonte Kindinger. Die Freigabe eines Bauabschnitts erfolge nur noch bei Tageslicht, damit nichts übersehen werden könne. Probefahrten auf der Strecke mit langsamer Geschwindigkeit seien obligatorisch.
Ein Jahr nach dem Schwebebahnabsturz mussten sich insgesamt acht Personen vor Gericht verantworten. Rechtsanwältin Manuela Lützenkirchen gehörte zum Verteidigerteam der Bauarbeiter. Der fatale Fehler lasse sich vielleicht durch den Zeitdruck erklären, unter dem die nächtlichen Bauarbeiten durchgeführt wurden, so Lützenkirchen.
Die milden Urteile im ersten Strafverfahren hatten ein juristisches Nachspiel. Der Bundesgerichtshof in Leipzig verwies die Sache zurück an eine andere Kammer des Landgerichts Wuppertal. Am Ende wurde der für das Sicherheitskonzept zuständige Betriebsleiter wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, ebenso die für Bahn- und Bauaufsicht zuständigen Mitarbeiter. Von den vier Bauarbeitern wurde nur einer zu einer Bewährungsstrafe von vier Monaten verurteilt. Bei allem Verständnis für die Sichtweise der Angehörigen – eine Fahrlässigkeitstat lasse kaum Spielraum für höhere Strafen, so Robert Bertling, ehemaliger Richter am Landgericht Wuppertal.