Erschreckende Details der NS-Zeit
Ein Rundgang in Ronsdorf erinnerte an die Verlegung von Stolpersteinen für die Opfer der Nazis. Die Teilnehmer waren bewegt.
Ronsdorf. Eine gut zwanzigköpfige Gruppe mit dem stellvertretenden Bezirksbürgermeister Kurt von Nolting und Mitbürgern aus allen Altersschichten hatte sich am Samstagnachmittag am Ronsdorfer Stadtbahnhof zu einem Rundgang eingefunden. Dabei sollte an die Stolpersteinverlegung für Ronsdorfer jüdischen Glaubens erinnert werden. Organisiert von Bernd Lamprecht von der Friedrich-Spee-Akademie und Christa Stuhlreiter, die die erste Stolpersteinverlegung initiiert hatte, übernahm Günter Urspruch die Führung.
Der ehemalige Gärtner, Jahrgang 1945, hat das verbrecherische NS-Regime nicht mehr selbst erlebt. Doch das Studium historischer Unterlagen und Gespräche mit Zeitzeugen machen ihn zu einem Experten für jüdisches Leben im Bergischen Land und speziell in. Mit gut vernehmlicher Stimme und der Kenntnis vieler Details reicherte Urspruch seine Ausführungen mit vielen zum Teil erschreckenden Begebenheiten an.
So direkt an der ersten Station, als er am Mahnmal zu Ehren der im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten darauf hinwies, dass der Name von Moritz Löwenthal zur Nazizeit aus der Gedenktafel heraus geschliffen und erst nach 1945 wieder eingesetzt worden war. Die Familie Löwenthal hat allein rund 30 Opfer der Hitler-Diktatur zu beklagen. Stolpersteine der Opfer sind an den Stellen angebracht, an denen die „nicht-arischen“ Menschen in die Vernichtungslager geschickt worden sind. Adolf Löwenthal, Bruder von Moritz, gelang die Auswanderung, bei der die jüdischen Mitbürger nichts von ihrem Vermögen mitnehmen durften.
Wenige Meter vom Treffpunkt Stadtbahnhof stand im „Kühlebau“ die von den angesehenen Löwenthals mitfinanzierte Badeanstalt, in der auch die Kinder Ruth (8) und Manfred (6) schwimmen wollten. „Ronsdorfer Nazis haben sie aus dem Bad gejagt“, berichtete Urspruch. „Jüdische Blagen verschmutzen unser Ronsdorfer Wasser“, war die widerwärtige Aussage des verblendeten Personals. „Beide Kinder und ihre Eltern Flora und Fritz wurden in Polen vergast“, so Günter Urspruch, der zwar mit den Nazis im Stadtteil hart ins Gericht ging, aber betonte: „Niemand darf unseren Eltern und Großeltern Vorwürfe machen, dass sie auf den braunen Spuk hereingefallen sind. Aber den heutigen Neo-Nazis müssen wir uns energisch entgegen stellen.“
Allerdings prangerte der kundige Stadtführer auch an, dass es viele Ronsdorfer Nazis gab, die nach dem Krieg nie belangt worden sind. „Viele waren auch angesichts des von den Nazis angerichteten Unheils noch immer unbelehrbar und haben das Dritte Reich auch weiterhin verteidigt“, so Urspruch, der noch etliche jüdische Opfer namentlich erwähnte, die in der zynisch „Reichskristallnacht“ genannten Pogromnacht verfolgt und deren Geschäfte demoliert wurden. „Beim Geschäft von Albert Leffmann holte man Schlägerhorden aus dem Tal zu Hilfe, um die Scheiben einschlagen und den Laden plündern zu lassen.“
Zum Abschluss empfing Pfarrer im Ruhestand Günter Twardella in der reformierten Kirche die sichtlich beeindruckte Gruppe und hielt einen eindringlichen Vortrag unter dem Motto „Es brennt, und alle schauen zu.“ Zur Illustration hatte der pensionierte Geistliche zusammen mit seinem Sohn ein Bild gemalt, das eine brennende Synagoge und eine zusehende Menschenmenge zeigt. Schwerpunkt seiner Ausführungen: „Es ist unvorstellbar, dass getaufte Christen so etwas zulassen.“
Zur Sprache kamen da auch die beiden Ronsdorfer „Judenhäuser“, in der die Juden aus der Umgebung einquartiert wurden, um sie „rationeller“ in die Vernichtungslager transportieren zu können.
„Dieser Rundgang hat uns alle emotional sehr bewegt“, zog Kurt von Nolting ein mehr als nachdenkliches Fazit der bewegenden zwei Stunden.