Es ist Zeit für Helden
Die Kommission für eine „Kultur des Erinnerns“ hat eine weise Entscheidung getroffen und ihre falsche von vor acht Jahren korrigiert. Damals reagierte sie auf die Diskussion um den nach Eduard von der Heydt benannten Kulturpreis der Stadt.
Die Debatte war weit über Wuppertals Grenzen hinaus vernehmbar und wurde überwiegend scheinheilig geführt.
Mit ihrem neuen Votum sagt die Kommission übrigens ausdrücklich nicht, dass der renommierte und hoch dotierte Preis wieder nach seinem Namensgeber benannt werden soll. Aber Diskussionen wird es dennoch geben.
Die Aufgeregten von einst ruhen nicht. Sie lauern auf alle Versuche, einen Mann auch nur ansatzweise zu rehabilitieren, dem sie längst und für immer den Stempel „Nazi“ aufgedrückt haben. Die Ohrfeige der Kommission werden sie nicht auf sich sitzenlassen.
Ja, allen Erkenntnissen nach hat Eduard von der Heydt die Nationalsozialisten unterstützt, war an der Finanzierung des Agentennetzwerkes der Verbrecher beteiligt. Aber es gibt auch Hinweise darauf, dass er sich für den Widerstand einsetzte. Wer sich mit dieser zerrissenen, widersprüchlichen Person beschäftigt, der weiß, dass Von der Heydt allen Grund hatte, vor den Nazis zu kuschen. Er war vermutlich homosexuell, seine Mutter lebte in Wuppertal und war dem Zugriff der braunen Schergen jederzeit ausgesetzt. Da ist offenes Opponieren schwer. Wahrscheinlich ist er dafür aber auch gar nicht der Typ Mensch gewesen.
Auf jeden Fall war von der Heydt kein Rassist. Sonst hätte er nicht gleichberechtigt Kunst aus aller Welt von allen Kulturen sammeln wollen.
Aber Eduard von der Heydt war ganz sicher auch kein Held. Er wird wie Millionen anderer Deutscher Angst gehabt haben vor der rohen Gewalt der braunen Horden.
Wer sich das alles vor Augen führt, könnte mit etwas weniger Selbstverliebtheit auch zu dem Schluss kommen, dass Eduard von der Heydt irgendetwas zwischen Täter und Opfer war, wahrscheinlich ein bisschen verhuscht, fixiert auf seine Idee von Weltkunst.
Stattdessen steht zu befürchten, dass die Diskussion über diesen Mann neu auflebt, angestoßen und geführt von Menschen, die sich offenbar nicht fragen, welche Rolle sie selbst in der dunkelsten Zeit Deutschlands gespielt hätten. Allzu viele Helden gab es damals jedenfalls leider nicht. Sonst wäre der Welt viel erspart geblieben.
Vor dem Hintergrund dessen, was sich derzeit in Europa abspielt, nach dem Besorgnis erregenden Rechtsruck in Ungarn, Polen, Österreich — und auch Deutschland - wäre es vielleicht sogar ein richtiges Signal, den Preis wieder nach Eduard von der Heydt zu benennen. Nicht um den Mann reinzuwaschen, sondern um stets an die Frage zu erinnern, wie ein jeder selbst sich verhält, wenn politische Lautsprecher beispielsweise unverhohlen darauf verweisen, dass an den deutschen Grenzen zur Not auch auf Flüchtlinge geschossen werden dürfe.
Im Rückblick ist es leicht, Mut und Haltung einzufordern. Aber in der Gegenwart zeigt sich, dass dazu unter ungleich besseren Umständen längst nicht jeder in der Lage ist. Dabei wäre jetzt wieder einmal die richtige Zeit für Helden.