Rückblick Für 30 Pfennig auf Wuppertals Gipfel
Wuppertal · 65 Jahre ist es her, dass die Barmer Bergbahn stillgelegt wurde, doch sie lebt in Erinnerungen weiter.
Als die Barmer Bergbahn am 4. Juli 1959 ihre letzte Fahrt antrat, waren unter anderem Vertreter der Bürger- und Bezirksvereine zu einer „Feierstunde mit Imbiss“ eingeladen. Der Anlass war für die meisten Barmer jedoch keineswegs ein Grund zu feiern, sondern im Gegenteil ein Ärgernis, weshalb Hunderte die Veranstaltung durch Proteste begleiteten und sich die Honoratioren in die Bergbahngaststätte zurückzogen. Davon berichteten der vergangenes Jahr verstorbene Verkehrshistoriker Jürgen Eidam sowie Wolfgang Reimann in ihrem 2009 erschienenen Buch „Die Barmer Bergbahn 1894-1959. Zur Stilllegung der Wuppertaler Zahnradbahn vor 50 Jahren“. In diesen Tagen ist der Verlust der Barmer Attraktion bereits seit 65 Jahren Geschichte.
Bezirksverein rief bereits 1954 zu ersten Protesten auf
Fünf Jahre zuvor hatte das Schicksal seinen Lauf genommen, als der Aufsichtsrat der Wuppertaler Stadtwerke im Februar 1954 mitteilte: „Mit Rücksicht auf den gleichfalls erheblichen Investitionsbedarf, den die Bergbahn demnächst bei einer notwendigen Erneuerung sowohl der Gleisanlagen wie des Wagenparks erfordern würde, beschloss der Aufsichtsrat die Stilllegung der Bergbahn.“ Der Bezirksverein Barmen-Mitte setzte wenige Wochen später die erste Protestversammlung in der Gaststätte Siechen-Diessner an. In dem Aufruf heißt es: „Die Bevölkerung des Stadtteils Barmen verwahrt sich energisch gegen die mit der Stilllegung verbundene erneute Benachteiligung im Nahverkehr.“
Doch all das half nichts: „Die technische Innovation, die Sicherheit, die Nostalgie und die Originalität konnten trotz massiver Proteste nicht verhindern, dass eine wenig weitblickende und uneinsichtige Stadtverwaltung am 4. Juli 1959 die Bergbahn stilllegte und im darauffolgenden Jahr das mit ihr machte, was sie am besten konnte: Schrott produzieren“, heißt es mit einem gewissen Zynismus in einem 2009 veröffentlichten Videobeitrag von Peter Holbeck vom Filmclub Solingen. Schon im Juli 1960 wurden auf dem Werkstattgelände am Toelleturm vier Wagen verbrannt und zerlegt, zwei weitere für kurze Zeit auf Spielplätze im Nordpark und im Zoo aufgestellt, allerdings nur deren Kästen.
Dabei hatte das Vorhaben so motiviert angefangen, als sich im Jahr 1884 Barmer Unternehmer zusammensetzten – unter ihnen auch Adolf Vorwerk – und die Idee der Bergbahn zum Leben erweckten, wie es in einem Film über Wuppertaler Straßenbahnen aus dem Jahr 2009 heißt. 1892 begannen die Arbeiten an der 1,6 Kilometer langen Strecke, 170 Meter Höhenunterschied waren zu überwinden, um von der Straße Am Clef, vorbei am Planetarium und dem Luftkurhaus, den höchsten Punkt Barmens, den Toelleturm, zu erreichen. Eröffnet wurde die erste elektrische Zahnradbahn Deutschlands dann am 16. April 1894.
Mit 18,5 Prozent Steigung befand sich der steilste Abschnitt direkt am Beginn nach der Überquerung der Bergisch-Märkischen Eisenbahn. Die Bergfahrt dauerte 14 Minuten, ins Tal ging es in zwölf Minuten etwas schneller, auch wenn die Bahn mit einer Geschwindigkeit von 100 Metern pro Minute gemächlich unterwegs war. So konnte sich der Schaffner auch mehr oder weniger problemlos während der Fahrt von außen an einem Laufbrett von Fenster zu Fenster hangeln und Fahrscheine verkaufen. Eine einfache Fahrt kostete zeitweise 30 Pfennig, je nach Wagen hatten bis zu 46 Fahrgäste Platz, anfangs sogar noch unterteilt in die zweite und dritte Klasse.
Dass sich heute noch jemand an die Bergbahn erinnert, ist neben den Archiven der Stadthistoriker auch anderen Initiativen zu verdanken: In den Barmer Anlagen ist der einstige Verlauf der Bergbahn seit 2007 durch 180 Granitstelen gekennzeichnet; 2009 gründete sich der Verein „Barmer Bergbahn“, der sich auch mit der Frage befasst, ob und wie sich die einstige Attraktion in Originalgröße und am Originalschauplatz wieder herstellen lässt.
Studie schätzt Kosten für einen Neubau auf 45 Millionen Euro
Dazu lieferte im Jahr 2015 Daniel Buth für den Masterabschluss seines Studiums des Verkehrswirtschaftsingenieurwesens eine Machbarkeitsstudie. Hier würde in einer Version ein Teil der historischen Trasse genutzt und die Strecke südlich des Bahnhofs Barmen enden. Daniel Buth schätzte die Kosten damals auf insgesamt 45 Millionen Euro, davon etwa 14 Millionen für den Fahrweg sowie zehn Millionen für den Fuhrpark.
„Neben einer ÖPNV-Angebotserweiterung und einem besonderen Fahrerlebnis können von dem Bau einer Zahnradbahn vor allem städtebauliche Impulse ausgehen, die neben der Wiederbelebung der Bergbahn auch zur Wiederbelebung des ganzen Stadtteils führen können“, schreibt Buth in seinem Fazit. Die Finanzierbarkeit, so prognostizierte er gleichzeitig, dürfte sich allerdings als äußerst schwierig erweisen.
„Ich unterstütze jeden mit Sympathie, der sich für die Wiederaufnahme des Fahrbetriebs engagiert“, sagt Barmens Bezirksbürgermeister Hans Hermann Lücke. „Die Trasse ist ja noch vorhanden, entscheidend wäre aber die Wirtschaftlichkeit.“ Hierbei geht Lücke davon aus, dass die Wiederbelebung der Bergbahn nur aus musealen Gesichtspunkten realistisch wäre. Eine Ergänzung zum Öffentlichen Nahverkehr sei zwar durchaus denkbar, „wenn man die Bergbahn im Tal ans Barmer Zentrum und auf den Höhen an den Nahverkehr anschließen könnte, um dann eine Strecke ins Bergische oder Oberbergische Land fortzuführen, aber dafür sind Idealisten gefordert“, so Lücke. „Ich halte es für sehr unwahrscheinlich“, sagt auch Andreas Bergermann vom Vorstand des Vereins Barmer Bergbahn. „Versuche, die Politik dafür zu begeistern, sind gescheitert, aber es wichtig, dass die Geschichte weitererzählt wird.“
Bis auf weiteres müssen sich Nostalgiker daher auf die Miniaturversionen beschränken, schließlich existiert die Barmer Bergbahn zumindest noch als Modellbau, etwa von Helmut Becker und Klaus Hoffmann im Maßstab 1:22,5 oder von Klaus Kötter im Maßstab 1:87. Beide Modellbahnanlagen sind auf der Videoplattform Youtube in Funktion zu sehen.
Oder sie kommen wie einst in dem ehemaligen Bahnhofsgebäude am Toelleturm zusammen, das noch existiert und das Restaurant „Zur alten Bergbahn“ beherbergt. Inhaber Michel-Vincenzo La Novara bietet darin vor allem Klassiker wie Speckpfannkuchen, Königsberger Klopse und Sauerbraten, aber auch Pasta und Zanderfilet an. Kombiniert mit der Möglichkeit, in Erinnerungen zu schwelgen: „Man trennt sich eben nicht leicht von den Wundern seiner Jugendzeit“, schreibt Holger Birkner bei Youtube.