Gärten des Grauens Stadt Wuppertal will Zahl der Schottervorgärten eindämmen
Wuppertal · In den neuen Bebauungsplänen der Stadt Wuppertal ist Begrünung vorgeschrieben. Rückwirkend lässt sich an Schottervorgärten laut Verwaltung aber kaum etwas ändern.
Schotter- statt begrünter (Vor-)Gärten sind vielen Naturfreunden ein Graus. Trotzdem steigt die Zahl. Viele Städte versuchen, dagegen vorzugehen. Auch Wuppertal will die Zahl eindämmen. Zum einen soll ein Flyer Haus- und Gartenbesitzer dazu bringen, auf Steine im Vorgarten zu verzichten. Zum anderen — viel wichtiger, weil rechtlich bindend — werden in neue Bebauungspläne Auflagen zu den Vorgärten direkt aufgenommen.
So heißt es zum Beispiel für den August-Jung-Weg, wo bald 17 neue Häuser gebaut werden sollen: „Alle nicht befestigten Flächen der Vorgärten sind vollflächig mit Vegetation anzulegen und dauerhaft zu erhalten.“ Ähnliche Vorgaben sollen zukünftig zum Standard bei Bauprojekten werden. Ganz neu sei das nicht, sagt Jochen Braun, Ressortleiter Bauen und Wohnen. So sei ähnliches zum Beispiel schon bei den Neubauten an der Holländischen Heide vor einigen Jahren vorgeschrieben worden. Allerdings setze die Stadt jetzt auf eine konzentrierte Aktion.
Biologe: „Negation dessen, was wir als Garten begreifen“
„Gärten des Grauens“ nennt Autor und Biologe Ulf Soltau die meist grauen Flächen. Auf seiner gleichnamigen Facebookseite sammelt der Wahl-Berliner seit 2017 Fotobeweise quer durch die Republik. Tausende sind es, meist trist grau oder weiß, manchmal aber auch mit bunten Steinen versetzt, Mustern, Figuren, sogar alten Autos. Gemein ist ihnen allen aber eins: Wirkliches Grün ist praktisch nicht zu sehen. Hier und da ein vereinsamtes Bäumchen, mehr nicht. Doch auch, wenn Soltau sich in den Beschreibungen gerne lustig über die „Augenweiden“ macht, sind es weniger die ästhetischen Gründe, die aus seiner Sicht gegen solche Vorgärten sprechen. Flächen werden so versiegelt, klagt er. Das Mikroklima leide. „Solche Gärten bringen keine Ökoleistung mehr. Natur wird zerstört.“ Oder, wie sich Soltau einmal in einem Interview ausdrückte: Schottergärten seien die „Negation dessen, was wir als Garten begreifen“.
Mittlerweile, so schätzt er, sind 15 Prozent der Vorgärten geschottert. Eine ganze Industrie lebe davon, sagt er. Denn Schotter sei eigentlich ein Abfallprodukt. Und die Entsorgung sei auch schwierig für die Gartenbesitzer.
Viele Städte hätten aber schon eingelenkt. Xanten zum Beispiel hat Vorgaben schon seit 2018 festgeschrieben. Weckruf war übrigens der „Terror Gardening Award“: Ein Schmähpreis, den Soltau regelmäßig über seine Facebook-Seite vergibt. Der habe offenbar beim Dezernenten der Stadt am Niederhein Eindruck gemacht, ist der Diplom-Biologe stolz. Wuppertal, so Braun, folge jetzt einer Initiative des Landes.
Kritik: Schottergärten sind versiegelte Flächen
Naturschutzverbände hatten immer wieder Schottergärten kritisiert, die zum Beispiel bienenunfreundlich seine. In Wuppertal hatten die Grünen vor gut eineinhalb Jahren das Thema auf die Agenda gebracht. Initiatorin Cornelia Krieger, Bezirksvertreterin in Uellendahl-Katernberg, zeigte sich deshalb erwartungsgemäß zufrieden, als der „Statusbericht Schottervorgärten“ der Verwaltung nun auf der Tagesordnung stand. Anja Liebert, Fraktionsvorsitzende im Rat, sieht mit der Festschreibung in den B-Plänen ein „gutes Instrument zur Steuerung“. Dies sei vergleichbar mit der Dachbegrünung, die nun ebenfalls immer öfter schon vorab festgelegt werde. Sie wünscht sich zukünftig, „weitere umweltfreundliche Standards mit aufzunehmen“.
Doch wie soll man mit den bereits bestehenden Schottervorgärten umgehen? Rückwirkend könne man wenig ändern, sagt Braun. Einen B-Plan nachträglich „anzupacken“ nur, um mehr Grün festzusetzen, sei vom Aufwand her nicht möglich. Müsste aber ein Plan wegen eines Neubauprojektes ohnehin geändert werden, habe man die Vorgaben dann im Blick. „Unser Ziel ist, so viele Flächen wie möglich zu entsiegeln“, betont Baudezernent Frank Meyer.
Wo es nicht über rechtlich verbindliche Vorgaben geht, soll auf dem Weg der Beratung „bekehrt“ werden. Die Flyer listen zum Beispiel die ökologischen Vorteile auf, die „richtige“ Gärten haben. Vielleicht hilft aber auch ein ganz praktischer Hinweis, an zukünftige „Steingärtner“. Schottergärten, wird dargelegt, machen auf Dauer nämlich mehr Arbeit — und durch die Versiegelung der Fläche besteht zudem die Gefahr, dass Wasser in die Gemäuer eindringt.