„Geschichte ist unter den Füßen verborgen“

Bergbauaktiv hat 60 Meter des Stock und Scherenberger Erbstollens wieder begehbar gemacht.

Foto: Stefan Fries

Hiddinghausen. Auf den Spuren der aus Kursachsen angeworbenen Bergleute wandelte, watete und kroch am Freitagnachmittag eine kleine Gruppe von Interessenten, denen der erste Instandsetzungs- und Erhaltungsabschnitt des Stock und Scherenberger Erbstollens in Hiddinghausen vorgestellt werden sollte. Eingeladen hatte der Arbeitskreis „bergbauaktiv“, die Sprockhöveler Gruppe des Fördervereins Bergbauhistorischer Stätten Ruhrrevier unter der Regie von Uwe Peise, dem Leiter des Arbeitskreises. Man traf sich am „Mundloch“, dem Eingang zum Stollen, der sich selbst überlassen, 170 Jahre lang verschüttet und mit einer anderthalb Meter dicken Betonplombe verschlossen war.

2013 hatten heimat- und bergbaubewusste Sprockhöveler angefangen, in ehrenamtlicher Arbeit den Stollen zu öffnen und ihm wieder die Wassergängigkeit zu ermöglichen. Mit dem Bau des Stollens war 1746 begonnen worden, um für die sehr ergiebige Kohlenzeche Stock und Scherenberg, eine der reichhaltigsten in der damaligen Grafschaft Mark, einen Abfluss des Grundwassers und frische Luftzufuhr zu schaffen. Nur mit Hammer und Schlägel gingen die Spezialisten aus Kursachsen damals ans Werk, benötigten für die zweieinhalb Kilometer rund 40 Jahre.

Abgestützt wurde der Schacht durch heimischen Trockenstein. Gummistiefel, Helm und Geleucht (Helmlampe) sind erforderlich, wenn man sich der Führung von Ralf Stallmann anvertraut. Fußtief fließt das braune Grundwasser in den nahe liegenden Pleßbach. Geringe Körpergröße ist von Vorteil, wobei man sich auch bei gebückter Haltung vielfach den Kopf stößt und eine Ahnung davon bekommt, wie strapaziös der Beruf des Kumpels unter Tage jahrhundertelang gewesen sein muss. „800 Jahre Bergbaugeschichte sind geprägt vom fast unerschöpflichen Erfindergeist und Einfallsreichtum der Bergleute, von permanentem technischen Fortschritt, aber auch von Fleiß, Erfolg, Scheitern, Leid und Tod, und mit ihnen sind zahllose Schicksale verbunden“, erzählt Uwe Peise.

„Unsere Geschichte ist unter unseren Füßen verborgen, aber wir wollen sie wieder erlebbar machen“, hörten die Interessierten am „Mundloch“ von den ehrenamtlichen Helfern und Idealisten und ließen sich gern von Jürgen Heckes zum 50 Meter entfernten, ansonsten verschlossenen „Lichtloch“ führen, von wo man den Schachtbesuchern aus fünf Metern Höhe auf die behelmten Köpfe schauen kann. Einer von ihnen gehörte Heidrun Wenzel von der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Sprockhövel, der es wie auch den anderen Bergbaubegeisterten nichts ausmachte, dass die Kleidung nach dem Schachtbesuch nicht mehr ganz so gesellschaftsfähig aussah.

60 Meter des Erbstollens sind wieder begehbar, doch dabei wollen die fleißigen Enkel der Kumpels von „Bergbauaktiv“ es nicht bewenden lassen. „Zwar wollen wir nicht die gesamten 2,4 Kilometer wieder öffnen, doch unser Wunsch ist es, zumindest soweit vorzudringen, dass wir wieder an eine Kohlenader stoßen“, so Uwe Peise. Gern erklärt Peise auch den Begriff „Erbstollen“. Der bewirkte, dass der Besitzer des Stollens einen Anteil von zehn Prozent der Kohleförderung der betreffenden Zeche für sich beanspruchen konnte, zehn weitere Prozent erhielt der Staat und die restlichen 80 Prozent fielen an die Kohlengrube, beziehungsweise die Inhaber der Kuxe, der Anteile an einer „bergrechtlichen Gewerkschaft“ hielt. Wurde jedoch ein tiefer gelegener Stollen gebaut, so „enterbte“ der den höher gelegenen Gang in den Berg. Die Erbstollen mit ihren Wasserabflussmöglichkeiten erfüllten ihre Funktion bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Dann übernahmen Dampfmaschinen die Arbeit des Wasserabpumpens aus großen Tiefen.

Wer den Stollen gern einmal besichtigen und ein Gefühl für die einstige Haupterwerbsquelle des Ruhrgebietes bekommen möchte, sollte sich unter up@bergaktiv.de informieren.