Gladbecker Geiseldrama: Das schrieb die WZ vor 20 Jahren
"Verkäufer filmte die Geiselnehmer" lautete am 19. August 1988 die Überschrift im General Anzeiger. Damals schrieb die Lokalredaktion über die Tour der Gladbecker Geiselnehmer durch Wuppertal. Den Original-Artikel von damals können Sie hier noch einmal nachlesen.
Wuppertal. "Wissen Sie eigentlich, wen Sie da gerade bedient haben?" Diese Frage eines Taxifahrers, der in der Bäckerei Grothe an der Berliner Straße gestern morgen Kunde war, machte der Verkäuferin Rosemarie Schimke (43) erst die Gefährlichkeit der soeben überstandenen Situation deutlich.
Der Gladbecker Geiselgangster Hans-Jürgen Rösner (31) hatte mit der Pistole in der Hand in Oberbarmen zehn belegte Brötchen gekauft, ohne daß die Verkäuferin sich bewusst wurde, welch gefährlichen Mann sie da vor sich hatte.Rosemarie Schimke und ihre Kollegin hatten am Tag zuvor den Geiselnehmer nicht im Fernsehen gesehen. Als der Verbrecher im Blaumann gestern morgen um kurz nach 9 Uhr mit der Pistole in der herunter hängenden Hand das Geschäft betrat, glaubte Rosemarie Schimke, einen Handwerker mit einem Akku-Schraubendreher in der Hand vor sich zu haben. Eigentlich wollte sie noch scherzhaft sagen: "Erschießen Sie mich bloß nicht mit dem Ding!"
Während die Verkäuferin zehn belegte Brötchen mit Salami und Käse zurechtmachte, ging der Gangster immer wieder zur Ladentür und rauchte im Eingang eine Zigarette. Dabei hatte er ständig die Pistole in der Hand. Zahlreiche Passanten gingen unbekümmert vorbei, ohne den Geiselnehmer zu erkennen.
Gegenüber, an der Tür der Foto Jansen-Filiale, filmte derweil ein 29-jähriger Verkäufer das Geschehen mit einer Videokamera. Er hatte die Geiselgangster gesehen, wiedererkannt und blitzschnell zur Kamera gegriffen. Dabei muss ihn der Verbrecher Rösner sogar bemerkt haben. Er deutete seinem Komplizen einmal mit dem Kopf zum Fotoladen, wie auf dem Film deutlich zu erkennen ist.
Als Rosemarie Schimke die Brötchen fertig hatte, bezahlte der Schwerverbrecher die 12,50 Mark mit einem 50-DM-Schein. Außerdem wollte er noch Kaffee mitnehmen. Die Verkäuferin lehnte ab, weil die Bäckerei keinen Ausschank hat. Der Gangster versuchte sie vergeblich mit dem Argument "Das ist ein Notfall" zu überreden.Daraufhin verließ Rösner das Geschäft, wendete an der nächsten Kreuzung und hielt vor der gegenüberliegenden Filiale von Foto Jansen.
Als Lothar Otto (29), Kollege des filmenden Verkäufers, das sah, bekam er doch einen Schrecken. Aber die Mitarbeiter der des Fotogeschäfts hatten Glück. Der Geiselnehmer kam nicht zu ihnen, weil von dort aus gefilmt wurde. Er kaufte ein japanisches Fernglas (7 X 50) für 80 Mark.Als Rösner vor dem Geschäft wieder in den Wagen stieg, stand Dietmar Kepper erneut an der Kamera und filmte die Abfahrt des silber-blau-metallicfarbenen BMW mit holländischem Kennzeichen.