Goldfische sind das bessere Fotomotiv

Kolumnist Uwe Becker über seine erste Fotokamera.

Foto: Joachim Schmitz

Als ich im Alter von 23 Jahren Fotografien von Man Ray, Henri Cartier-Bresson und Elliot Erwitt sah, war ich begeistert, und wollte mir sofort eine Kamera kaufen, um auch ein großer Fotokünstler zu werden. Ich musste zunächst überlegen, von welchem Hersteller ich mir einen Fotoapparat kaufen sollte. Da es damals das Internet noch nicht gab, konnte man auch nicht googeln. Ich besorgte mir daher ein paar Fotozeitschriften, in denen Testberichte von unterschiedlichen Herstellern veröffentlicht wurden. So weit ich mich erinnern kann, lag damals der Preis für günstige Spiegelreflexkameras bei ca. 500 DM. Die Wahl, für welche Kameramarke ich mich entscheiden sollte, fiel mir damals nicht leicht.

Begrabt mein Herz

in Wuppertal

Da ich blutiger Anfänger war, wollte ich natürlich eine gute Kamera erwerben, mit der selbst mir sofort halbwegs gute Fotos gelingen könnten. Nachdem ich alles über die Fotoknipser von Leica, Nikon und Canon gelesen hatte, entschied ich mich für die günstigste Kamera, die Canon EF, ausgestattet mit einem Standard-Objektiv.

Die Entscheidung, für mich alleine so viel Geld für einen Artikel auszugeben, von dem ich noch nicht genau wusste, ob er mir auch lange Lust und Freude bereiten würde, machte ich mir nicht leicht. Tagelang schlich ich nervös und mit feuchten Händen an dem Geschäft vorbei, traute mich aber nicht hinein zu gehen, um den Fotoapparat zu kaufen. Ich beschloss daher, mir etwas Mut anzutrinken, und begab mich in die fußläufige Gaststätte „Zum ollen Matt“.

Durch die Zufuhr von Alkohol (vier große Pils), hatte ich plötzlich keine Bedenken mehr, so viel Geld auszugeben. Wenig später stand ich dann im Fotogeschäft meines Vertrauens, und konnte, wenn auch etwas lallend, völlig enthemmt meinen Kaufwunsch äußern: „Ich hätte gerne die Canon EF, die da im Fenster liegt!“ Insgesamt musste ich damals 498 DM auf den Ladentisch des Fotogeschäfts in der Barmer Innenstand blättern.

Um die mutige Entscheidung gebührend zu feiern, mehr als mein halbes Monatsgehalt für einen Fotoapparat auszugeben, ging ich nochmals in die Gaststätte und gönnte mir noch ein paar kühle Biere. Am Abend lag ich im Bett, neben mir die noch original verpackte Kamera, und las in einen Magazin einen Artikel über Filter für Foto-Objektive.

In dieser Nacht hatte ich dann einen sonderbaren Traum: Ich spezialisierte mich bei der Fotografie auf das Ablichten von nackten oder angezogenen Schaufensterpuppen. Die Ergebnisse waren allerdings niederschmetternd. Durch die Spiegelung war ich auf jeder dieser Aufnahmen selber zu sehen. Ich fotografierte dann nur noch nach Geschäftsschluss. Ich zertrümmerte die Schaufensterscheiben, damit ich die Puppen nicht mehr hinter Glas ablichten musste, und lief dann schnell weg. Allerdings hatte ich ständig blutige Hände und Glassplitter in den Fingern. Nach mehreren Verhaftungen landete ich am Ende im Gefängnis. Dies alles nahm mir den Spaß am Hobby. In der Haftanstalt erzählte mir ein Mitgefangener, dass es Polarisationsfilter gäbe, mit denen man die Spiegelung aufheben könnte, und ein Zerschlagen der Scheibe total überflüssig gewesen war.

Nach diesem Alptraum erwachte ich schweißgebadet, und ging am Vormittag sofort, ohne vorher Alkohol zu trinken, zum Händler und kaufte einen dieser Filter. Schaufensterpuppen fotografierte ich trotzdem nie, dafür sehr oft und gerne meine Goldfische.