Wuppertal Grundschüler spielen mit Molière

Kultur am Vormittag: Der Komponist Thomas Beimel hat mit Kindern der Grundschule Liegnitzer Straße ein großes Kunstprojekt erarbeitet.

Foto: Gerhard Bartsch

Wuppertal. Was sollen Grundschüler schon mit absurdem Theater und einem französischen Klassiker wie Molière anfangen? Na - jede Menge. Thomas Beimel, von Hause aus Komponist, hat im Rahmen des gemeinnützigen Projektes „Kultur am Vormittag“ den Stoff in die Ganztagsgrundschule Liegnitzer Straße gebracht.

Foto: Gerhard Bartsch

Mehr als zwei Jahre lang — von der zweiten bis in die vierte Klasse hinein — haben sich die Kinder in jeder Schulwoche mit dem Literaturmaterial beschäftigt und es sich im wahrsten Sinne des Wortes angeeignet. Die Ergebnisse sind jetzt als Zeichnungen, Fotos, Installationen und Texte in der Schwarzbach-Galerie zu sehen, dazu haben die Schüler der 4a und 4b dort am Dienstag das Theaterstück „Monsieur Jourdain ist kein Papapusch“ in zwei Versionen aufgeführt.

„Ich nehme immer gute Sachen, aber in homöopathischen Dosen“, sagt Beimel. Im Fall von Becketts absurdem „Endspiel“ war ein Dialog von sechs Zeilen zwischen den Figuren Hamm und Clov der Ausgangspunkt. Daraus entwickeln die Kinder sehr eigene Ideen zu Gesprächssituationen und schrägen Gruselerlebnissen. Auf der anderen Seite entwerfen sie eine harmonische Zukunft in Zweisamkeit für die beiden und lassen sie nach Paris und Großbritannien reisen — auch wenn sie das auf Fotomotive aus Rumänien einzeichnen.

Die Figur des Monsieur Jourdain hat Beimel aus Molières Ballettkomödie „Der Bürger als Edelmann“ entnommen. Er ist die Witzfigur eines reichen Mannes, der unbedingt einen Adelstitel haben, ein Papapusch sein möchte — ein wunderbarer Stoff zum Spielen.

Beimel, der als Musiklehrer ausgebildet ist, achtet „selbstverständlich auf Genauigkeit und Szenenanschlüsse“, lässt den Schülern aber in vielem freie Hand. Sie entwickeln selbst die Gesten, die Tanzszenen und die Musik auf Alltagsgegenständen — was klingt lang, hoch an?

Der Künstler als Lehrer gibt dem Ganzen jedoch einen Rahmen, in dem es spielerisch vor Hochkultur nur so wimmelt. Den Tanz unterlegt er mit einer Passage aus einer Haydn-Sinfonie, ein Rezitativ von Mozart untermalt einen Dialog. Die Kinder singen auch locker und textsicher zwei Volkslieder über den Mond, denn der hat Monsieur Jourdain schließlich verzaubert.

„Ich sehe es als meine Aufgaben, Kindern kulturelle Inhalte und Formen zu vermitteln“, sagt Beimel. Das kriegen die Acht- bis Zehnjährigen möglicherweise nicht so konkret mit, tut aber der Spielfreude keinen Abbruch. Den Tanz mochten sie alle gern, auch das Schlusslied „Guter Mond, du gehst so stille“.

Max Zimmermann ist nach der Vorstellung aufgekratzt: „Wir haben einmal Mister statt Monsieur Jourdain gesagt, da mussten wir die ganze Zeit lachen.“ Véronique Gassanian findet „das Projekt witzig. Die Texte konnte man sich gut merken“. „Wir haben schon viel geübt“, sagt Mia Erb. „Aber das war gar nicht schlimm. Und auch nicht schwer.“

Beimel betont: „Ein Ergebnis, das so lebendig und komplex ist wie dieses Stück, ist nur möglich, weil die beiden Klassenlehrerinnen jeden Tag hervorragende Arbeit im Hinblick auf Gruppendynamik und demokratische Prozesse leisten.“ Der Komponist übernimmt im nächsten Schuljahr drei neue Klassen und wird dann wieder gucken, „was bei Text und Musik alles geht“.

Sein Kurs ist jedenfalls ein Paradebeispiel dafür, was Kunst und das Projekt Kultur am Vormittag, das mittelbar auch Konzentration und Disziplin verstärken will, erreichen können.